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Aids als Kriegsfaktor in Ruanda

■ UN-Direktorin sieht Zusammenhang zwischen HIV-Epidemie und Gewalt

Berlin (taz) – Gibt es eine Verknüpfung zwischen der Tragödie in Ruanda und Aids? In den bisherigen Berichten spielte die Epidemie in dem afrikanischen Staat so gut wie keine Rolle. Elizabeth Reid, Direktorin bei den UN und dort zuständig für die HIV-Infektion in den Entwicklungsländern, hat jetzt in einer Stellungnahme die „Psychologie des Krieges und die HIV-Epidemie“ in Verbindung gebracht. Sie weist darin vor allem auf den Fatalismus, die Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit hin, die durch Aids ausgelöst worden sind. Sie ist davon überzeugt, daß die in Ruanda besonders heftig wütende Epidemie deshalb mit zu den Ursachen gehört, die für den Ausbruch der Gewalt und für das Gemetzel verantwortlich sind.

Das Aids-Virus hat sich in Ruanda wie in kaum einem anderen Land ausgebreitet. Im vergangenen Jahr waren in der Hauptstadt Kigali unter den schwangeren Frauen 33,4 Prozent infiziert. Auch außerhalb, in den Städten Biryogo, Gikongo und Muhima, sind nach Angaben des Fachblattes Aids & Society 20 bis 30 Prozent der Schwangeren HIV-positiv getestet worden.

Unter den Soldaten liegt die Infektionsrate noch höher. Die Angaben schwanken zwischen 40 und 65 Prozent. Frau Reid zitiert eine 1992 durchgeführte Untersuchung des „Colonel Mayuya Militärcamps“, wonach 70 Prozent von fünfhundert befragten Soldaten erklärten, das Leben mit der Aids- Epidemie sei schlimmer als ein Krieg. Nur 5 Prozent der Bevölkerung versuchen sich gegen die Infektion zu schützen. Viele der älteren Soldaten seien an den Folgen der Infektionskrankheit gestorben, weshalb in den militärischen Führungspositionen häufig sehr junge, unerfahrene und verunsicherte Männer sitzen.

Elizabeth Reid kritisiert die vor den Unruhen übliche Praxis in Ruanda, Zehntausende von Einwohnern ohne deren Einverständnis jedes Vierteljahr auf HIV zu testen. Das Ergebnis dieser Tests sei den Betroffenen aber nicht mitgeteilt worden. Wer wissen wollte, ob er infiziert ist, hatte kaum eine Chance, dies zu erfahren. Die Regierung habe keine oder nur geringe Anstrengungen unternommen, um freiwillige Tests und eine Beratung einzuführen. „Was ist das für ein Leben in einer Gesellschaft, wenn jeder weiß, daß so viele infiziert sind, aber niemand weiß, ob er nicht selbst betroffen ist?“ fragt die UN-Direktorin.

Angst, Verleugnung und Verantwortungslosigkeit seien schon vor den Aufständen weit verbreitet gewesen, schreibt sie. Die wachsende Zahl von Begräbnissen und die Zunahme der Waisen, deren Eltern an Aids gestorben sind, habe die Verzweiflung noch geschürt. Jeder zweite Haushalt in Kigali beherberge Kinder, die nicht die eigenen sind.

Krieg und Genozid, so das Fazit der UN-Direktorin, waren „brutaler Ausdruck der wuchernden Angst, der Verleugnung und der Verantwortungslosigkeit, die erzeugt worden sind durch die Art und Weise wie auf die Epidemie in Ruanda reagiert wurde“.

Zustimmung erhielt Reid vom Chefredakteur von Aids & Society, Norman Miller, für den die Infektionskrankheit „zu den fünf oder sechs wichtigsten sozialen Einflußgrößen“ zählt, die zu der ruandischen Krise geführt haben. Auch Alan Whiteside, Wissenschaftler an der Universität von Natal in Südafrika, glaubt, daß die zunehmende Ausbreitung von Aids, die nachlassende Prävention, der Mangel an Kommunikation und der Zusammenbruch der sozialen Dienste sowie die Unfähigkeit der Regierung, angemessen auf die Herausforderung durch Aids zu reagieren, zu den Faktoren gehören, die für die Tragödie verantwortlich sind. Manfred Kriener

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