piwik no script img

Metallmenschen

■ Ausstellung "Oskar Schlemmer - Tanz Theater Bühne" mit "Triadischem Ballett", Figurinen, Kostümen in Düsseldorf

Wenige Monate nach Niederschlagung der November-Revolution schrieb Oskar Schlemmer an seinen Malerfreund Otto Meyer-Amden, daß es nun endlich Zeit sei, die revolutionären Ideen auch auf dem Theater umzusetzen. Dabei gelte es, vom beweglichen Körper, dem „Fluidum Mensch“ auszugehen, um die verlorengegangene Verbindung zwischen den einzelnen Künsten wieder herzustellen. Heute hat Oskar Schlemmers „Triadisches Ballett“ selbst eine museale Patina angesetzt. Es sind allenfalls Theaterregisseure wie Robert Wilson, die seine Arbeit weiterhin auf kongeniale Weise fortsetzen. Denn auch Wilson geht es um den Zusammenhang von Bild und Bewegung, optischer Komposition und Tanz – einem Zusammenhang, der sich in der Regel aber einer musealen Präsentation versperrt.

Die Kunstsammlung Düsseldorf hat sich dennoch dieser Aufgabe angenommen und versucht nun, ihre Wechselausstellung fast ausschließlich auf „Tanz, Theater und Bühne“ des Bauhaus-Künstlers zu konzentrieren. Natürlich kann auch die Düsseldorfer Ausstellung nicht vermeiden, das Spezifische von Schlemmers „Tanzgeometrie“, nämlich seine aus Bewegung, Raum, Form und Farbe zusammengefaßte Kunsteinheit, auseinanderzudividieren. Die schräg auf einem runden Podest stehenden sieben Figurinen des ehemaligen „Triadischen Balletts“ wirken auch losgelöst von den ihnen zugedachten Funktionen. Dasselbe gilt für die schwarz gekleideten Figuren aus dem Reifentanz, einem der bekannten Bauhaus-Tänze, bei dem Figuren und Bühnenraum mit metallhellen Reifen behängt wurden. Auch hier steht der Besucher vor einem statischen Arrangement. Und doch kann er sich des Eindrucks nicht erwehren, daß die sieben der ehemals achtzehn raumplastischen Kostüme, aber auch die zwei Figuren in ihrer Guckkastenbühne eine kleine Zauberei veranstalten.

Neben diesen Figurinen und Kostümen, einer Vielzahl von Masken und Theaterentwürfen gehören zum Herzstück der Ausstellung die bekannten Proportionsstudien zum menschlichen Körper. An diesen Studien wird erkennbar, daß Schlemmer in seiner Konzeption des „Triadischen Balletts“ neben die Elementarlehre der Geometrie immer auch eine Elementarlehre des menschlichen Körpers gestellt hat. An dieser werden natürlich die Einflüsse Dürers und Leonardos deutlich, und dennoch hat Schlemmer stets betont, daß Geometrie, Goldener Schnitt und Proportionenlehre „tot und unfruchtbar sind, wenn sie nicht erlebt, gefühlt und empfunden sind“. Die Metaphysik, die aus diesen Äußerungen auch spricht, gehörte für viele von Schlemmers Bauhaus-Kollegen zu ihrer „künstlerischen Mission“.

Es war ein missionarischer Funke, der allerdings unter der Ägide des nationalsozialistischen Furors zusehends blasser wurde. Die geistige Überhöhung des künstlerischen Schaffens schien sich immer mehr an den widrigen Verhältnissen zu stoßen, zudem ging Schlemmers physische Ermattung mit der Schwächung seiner künstlerischen Kraft einher. Während Schlemmer bereits in den zwanziger Jahren seine ästhetischen Vorstellungen weder an der Berliner Volksbühne unter Erwin Piscator noch in der Spätphase des Dessauer Bauhauses unter Hannes Meyer durchsetzen konnte, während er von den finanziellen Mißerfolgen der Aufführungen seines „Triadischen Balletts“ geplagt wurde, mußte er 1933 die von den Nazis betriebene Demissionierung von der Staatlichen Kunstschule Berlin hinnehmen, die ihn bis zu seinem Tode 1943 zu einem unsteten Leben ohne gesicherte Existenzgrundlage verurteilte.

Die in den späten dreißiger und frühen vierziger Jahren gemalten Varieté-Figuren, die clownesken Spielereien, aber vor allem die kurz vor dem Tod als Auftragsarbeit für eine Wuppertaler Firma entstandenen Lackbilder sind Zeugnis von Schlemmers künstlerischer Krise. Von dem frühen Erfindungsreichtum ist zu dieser Zeit nur noch wenig zu spüren – etwa von dem scheinbar unbegrenzten Ideenreservoir, von dem Schlemmers Skizzenbuch von 1916 bis 1922 zeugt. Die hier versammelten Kastenmenschen, Spiralmenschen, Reifenmenschen, Kegelmenschen und Maschinenmenschen zeigen, aus welchem Fundus das „Triadische Ballett“ schöpft. Sie offenbaren Schlemmers Glaubensmaxime, die ihn noch zu dieser Zeit beseelt hatte – „es bleibt das Metaphysische: die Kunst“. Klaus Englert

„Oskar Schlemmer – Tanz Theater Bühne“. Bis 16.10., Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf. Katalog: 45 DM.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen