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Muscles from Brussels

Jean-Claude Van Damme wird von Japanern, Kindern, Drittweltbürgern, Schwulen und Prolos geliebt. Sich selbst sieht er als „Bildhauer“ des eigenen Körpers. Heute startet „The Quest“  ■ Von Thomas Winkler

Als der kleine Jean- Claude mit Nachnamen noch Van Vaerenbergh hieß und „Tim & Struppi“ verschlang, schickte sein Vater eine elfjährige, klapperdürre Brillenschlange zum Karate. „Mit 18 sah er dann aus wie Tarzan“, mußte der Vater leicht erschrocken feststellen. Aber man soll nicht alles glauben, was erzählt wird. Noch vor wenigen Jahren ließ Jean-Claude Van Damme wissen, daß er 1.000 Dollar in der Tasche hatte, als er nach Hollywood kam. Wenn man ihn heutzutage fragt, sind es vielleicht noch fünfzig.

Van Damme ist der Frenchie unter den Box-Office-Schwergewichtlern, charmanter als Schwarzenegger, verführerischer als Stallone, ein überaus ansehnlicher 35jähriger, dessen wohlgeformter Arsch auch eine schwule Fangemeinde gefunden hat (auch er selbst hält ihn für „den knackigsten der Welt“).

Da blieben mir nur noch die Martial Arts

Seine Geschichte ist eine Success- Story, die er neuerdings mit Botschaften von dem kleinen Jungen versüßt, der in seinem nur 1,74 großen Fit-for-fun-Körper eingesperrt ist. „Ich bin 35 Jahre alt“, so sagte er der französischen Tageszeitung Libération, „aber ich bin immer noch ein kleines Kind. Als ich nach Amerika kam, blieb mir eigentlich nur der Weg in die Martial Arts. Mein Englisch war lächerlich, ich war ein Belgier, ich besaß nichts als eine Liste von unabhängigen Produzenten. Ich habe zehn Filme für sie gemacht, und irgendwie ist es mir gelungen, damit bekannt zu werden.“ Sein Publikum ist eine seltsame Gemeinde: die Kinder, die Japaner, die Dritte Welt, die Schwulen und die Prolos.

Wenn Jean-Claude Van Damme vielleicht kein Schauspieler ist, so ist er sicherlich ein Arbeiter, hart wie Kruppstahl, mit einem Willen, zäh wie Leder. Er hat aus einem Bündel Haut und Knochen einen Karatechampion geformt. „Wie ein Bildhauer“, sagt er gerne. Dies hier ist Märchenland.

Noch heute steht der ehemalige Karate-Europameister angeblich täglich morgens um fünf auf, um zweieinhalb Stunden zu trainieren, wie er Kampfsportmagazinen gesteht. „Ich werde nie eine Schauspielschule besuchen“, verkündet er stolz. Und das ist nicht mal arrogant.

Das Mimen überläßt Van Damme anderen. Während es Sylvester Stallone und selbst Prototyp Arnold Schwarzenegger (den als Vorbild anzugeben er tunlichst vermeidet, aber eine gewisse Bewunderung kann er für den Österreicher, an dessen Seite er in „Predator“ und „Last Action Hero“ in eher unscheinbaren Nebenrollen auftrat, nicht verhehlen) drängt, endlich als Schauspieler gewürdigt zu werden, ist es Van Dammes ausdrücklich verkündetes Ziel, endlich mal pro Film 10 Millionen Dollar Gage zu bekommen. Und so viele Frauen wie möglich abzukriegen. Erst jetzt ist er, nach all den Jahren Arbeit, endlich da, wo das möglich wird.

Mit Anfang 20 verläßt er seine erste Frau, um nach Hollywood zu gehen. Dort jobbt er jahrelang als Kellner, Masseur, Taxifahrer, Unterhosenmodel, Pizzalieferant, Chauffeur, Rausschmeißer und Teppichverleger, der die Tochter seines Chefs heiratet. (Heiraten ist überhaupt heute noch eines seiner liebsten Hobbys. Inzwischen lebt er getrennt von seiner fünften Gattin.) Den Tellerwäscher hat er aus unerfindlichen Gründen ausgelassen. Er treibt sich auf den Parkplätzen der Filmstudios herum und steckt Fotos mit seiner Telefonnummer hinter die Scheibenwischer. Wer jemals auf einer öffentlichen Männertoilette war, dem werden gewisse Vergleiche nicht entgehen. Aber nach dem Beginn einer Karriere hört sich das nun ganz und gar nicht an.

Katastrophale Vertragsabschlüsse

Tatsächlich war der Mann auch gezwungen, endlich mal in die schwarzen Zahlen zu kommen. Mal ganz abgesehen von den Alimenten mußte Van Damme einem Stuntman eine knappe halbe Million Dollar Entschädigung zahlen, weil er ihn mit einem Gummimesser am Auge verletzt hatte. Die Klage einer Frau, die er zu Oral- und Gruppensex gezwungen haben soll, wurde außergerichtlich geklärt. Auch das dürfte nicht ganz billig gewesen sein.

Außerdem war Van Damme im Gegensatz zu Schwarzenegger geradezu berüchtigt für seine meist katastrophalen Vertragsabschlüsse. Er unterzeichnete wahllos bei jedem Studio und jeder Produktionsfirma, wenn die ihm nur versprachen, seine Muskeln abzulichten. Moshe Daimant, ein nur leidlich erfolgreicher Produzent „dämlicher Action-Filme“ (Daimant selbst), schließlich entdeckte das Potential dieses Körpers. Oder vielmehr entdeckte ihn dessen damals vierjähriger Sohn beim gemeinsamen Videoabend mit Daddy, als dieser sich eine von Van Damme zugesteckte Kassette mit „Bloodsport“ ansah. „Ich habe Jean-Claude angerufen“, erzählt der Mann, der später die Van- Damme-Vehikel „Double Impact“ (1991), „Hard Target“ (1993), „Timecop“ (1994) und „Sudden Death“ (1995) produzieren sollte, „und ihm gesagt, es sei nicht besonders, aber mein Sohn liebt es. Dann wurden wir gute Freunde.“ Also kaufte Diamant Van Damme aus allen Verträgen heraus, und das waren viele. „Ich mußte eine Produktionsfirma kaufen, die eine Option auf ihn hatte, nur um an diese Option zu kommen.“ Er ließ ihn rachsüchtige Zwillingsbrüder, Matrosen, genmanipulierte Elitesoldaten oder reumütige Bankräuber spielen.

Spätestens mit „Sudden Death“ aber waren die „muscles from Brussels“ nun dort gelandet, wo sie immer hinwollten. John Woo, der Hongkong-Meister der Martial Arts, sagte ihm sogar: „Warum machst du solche Filme? Du hast Charisma, du hast ein schönes Gesicht, und du kannst spielen. Also laß den Bullshit!“ Seine Filme verschwinden erst nach der zweiten Woche von den Leinwänden und machen ihren verdienten Reibach in den Videotheken. Es war Zeit für eine neue Aufgabe, eine neue Transformation. Und in Hollywood, das ist schon fast sprichwörtlich und hat Niederschlag gefunden in vielen Filmen, wird vieles, wenn nicht sogar alles beim Lunch entschieden.

Das war bei „The Quest“ nicht anders. Und die Geschichte geht so: Jean-Claude Van Damme saß in seinem Lieblings-Thai-Restaurant und wurde inspiriert von einem leckeren Pad Thai, als ihm die Idee kam. „Ich werde einen Sklaven spielen! Schon als Kind träumte ich oft von Abenteuern in fremden, exotischen Ländern.“ Er erinnerte sich an seine Lieblingscomics, natürlich „Tim & Struppi“, und gebar die Drehbuchvorlage für „The Quest“, die hurtig von Kumpel Diamant vorbereitet wurde. Dort begibt sich der Karateschüler Van Damme nach der Ausbildung auf die Reise zum Ghan-gheng, einem geheimen und natürlich tödlich endenden Turnier der besten Martial-Arts-Kämpfer der Welt. Van Damme möchte den Film, dessen Story sich nur sehr leidlich vertuscht an „Bloodsport“ anlehnt, in dem er 1987 seine erste Hauptrolle spielte, als Tribut an seine Anfänge verstanden wissen. „Ich komme vom Kampfsport, und ich wollte dem Kampfsport etwas zurückgeben.“ Dazu sammelte er für den „größten Martial-Arts-Film aller Zeiten“ auf der ganzen Welt Menschen, die Kung Fu, Karate, Shaolin, Capoeira, Sumo oder ähnliches beherrschen. Menschen, die bereit waren, sich von Van Damme verprügeln zu lassen, nachdem er ihre Schläge mit einem kurzen Kopfschütteln weggewischt hatte. Der „Ben Hur of martial arts“ war seine „Vision“.

The Quest: Pure Schokolade! Hirnlos!

Irgendwo dazwischen schummelt sich Roger Moore durch die Szenerie, den Van Damme – wie sollte es anders sein – ebenfalls beim Essen überredete, mitzumachen. „Hirnlos“, aber auch „sehr ansprechend, pure Schokolade, pure Fantasie und Spaß“, fand die Washington Post das Ergebnis und fand sich in dieser Ambivalenz nicht alleine.

Einmal sah ich ihn bei David Letterman sitzen. Er verstand die Witzchen, die Anspielungen nicht, aber er grinste so breit in die Runde, als hätte er das Manneken- Pis im Publikum entdeckt. Irgendwann gab Letterman es auf. Van Damme grinste immer noch. Er hatte gewonnen, er war halt ein Star.

„The Quest – Die Herausforderung“. Regie: Jean-Claude Van Damme. Mit Jean-Claude Van Damme, Roger Moore, James Remar, Jack McGee, USA 1996, 91 Min.

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