■ Mit EU-Beihilfen-Kontrolle auf du und du: Keine Notwehr
Freiburg (taz) – Sachsens Regierung versucht den Eindruck zu erwecken, als befinde man sich quasi in einer Notwehrsituation. Eigentlich sei die Beihilfezahlung an Volkswagen völlig in Ordnung, und nur die Kommission bestreite dies. Bis man sich aber vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) durchgesetzt habe, vergingen „Jahre“, und dann sei Volkswagen als Investor längst über alle Berge.
Das ist ein Zerrbild der juristischen Möglichkeiten, auf EU- Ebene zu seinem Recht zu kommen. Ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof dauert nicht „Jahre“ (wie vor dem Bundesverfassungsgericht), sondern im Schnitt rund 18 Monate. Falls in der Zwischenzeit ein irreperabler Schaden zu entstehen droht, kann eine einstweilige Anordnung beantragt werden. In diesem beschleunigten Verfahren kann der EuGH schon innerhalb von zwei bis vier Monaten Recht sprechen.
Dies hätte im Fall Volkswagen sicher ausgereicht. Als Voraussetzung für einen Eilschutz gegen das Kommissionsveto hätte aber nicht nur der wahrscheinliche Schaden belegt werden müssen. Vielmehr wäre auch zu prüfen gewesen, ob die Klage überhaupt Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. Und das wäre recht fraglich gewesen (und genau deshalb wird man wohl auch auf den Rechtsweg verzichtet haben).
Sachsen beruft sich nämlich auf eine Bestimmung des EG- Vertrags, die solche Beihilfen für zulässig erklärt, die „zum Ausgleich der durch die Teilung Deutschlands verursachten wirtschaftlichen Nachteile erforderlich sind“ (Artikel 92 II c). Nach Auffassung der Kommission ist dieser Passus aber, der früher die Förderung der sogenannten „Zonenrandgebiete“ erlaubte, seit der Wiedervereinigung überholt.
Sachsen und die Bundesregierung kontern, daß man den Passus bei der Maastrichter Vertragsrevision nicht gestrichen habe. Also sei er noch gültig. Viele Ländervertreter legen den Begriff der „teilungsbedingten Nachteile“ heute so aus, daß alle Nachteile erfaßt seien, die durch die DDR-Mißwirtschaft entstanden sind. Dann aber könnte man heute faktisch unbeschränkt subventionieren – eine Auslegung, die vor dem EuGH sicher keine Chance hätte.
Die Kommission ihrerseits dürfte jetzt die Bundesregierung auffordern, in Sachsen nach dem Rechten zu sehen, das heißt: die Rückforderung der Beihilfen zu veranlassen. Entgegen anderslautenden Meldungen braucht die Kommission für ihr Vorgehen gegen vertragswidrige Beihilfezahlungen kein grünes Licht vom EuGH. Im August herrscht in Brüssel allerdings erst einmal Sommerpause. Christian Rath
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