: Neonazi Lauck schweigt sich aus
■ Der US-Amerikaner soll dafür gesorgt haben, daß Neonazi-Propaganda nach Deutschland geschickt wurde
Hamburg (taz) – Stapelweise Päckchen, Briefe, Akten liegen auf dem Richterpult. Die Große Strafkammer des Hanseatischen Landgerichts (LG) frißt sich mühsam durch die Papierberge. Der Angeklagte schweigt – und schmunzelt immer wieder zufrieden, wenn hundertmal Parolen wie „Ausländer raus“, „Rotfront verrecke“ und „Weg mit dem NS-Verbot“ verlesen werden.
Vorlesestunde vor Gericht: Im Prozeß gegen den US-amerikanischen Neonazi Gary Rex Lauck gestaltete sich die Beweisaufnahme gestern so zäh wie stets seit Beginn des Verfahrens Anfang Mai. Keine ZeugInnen, keine Erklärungen Laucks – allein durch Indizien versucht die Staatsanwaltschaft, den Anklagevorwurf gegen den offiziellen Gründer der neonazistischen Partei NSDAP/AO (Aufbauorganisation) in den USA und Herausgeber des NS-Kampfrufs zu belegen. Lauck ist wegen Volksverhetzung, Aufstachelung zum „Rassenhaß“ und der Verbreitung von Propagandamaterial verfassungswidriger Organisationen angeklagt. Am 22. August soll das Urteil gesprochen werden; eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren droht.
Da er selbst keine Aussagen zu dem Anklagevorwurf macht, Neonazi-Material von den USA aus nach Deutschland vertrieben zu haben, muß das Gericht alles „in Augenschein“ nehmen, was einen Anhaltspunkt dafür bieten könnte. So werden Hakenkreuzfahnen entrollt, der Vorsitzende Richter Günther Bertram zeigt Aufkleber mit rechtsradikalen Parolen herum und verliest von Lauck verfaßte Artikel im NS-Kampfruf. Doch die Öffentlichkeit, durch die das Verfahren zur Propagandashow hätte werden können, bleibt aus. Der ZuschauerInnenraum ist leer.
Der Prozeß ist brisant. Wenn auch der Eindruck entsteht, daß vor dem LG formaljuristisch abgearbeitet wird, was ohnehin erwiesen ist, wird eine grundsätzliche Entscheidung darüber fallen, wie mit dem Import von Propaganda aus dem Ausland verfahren werden soll. Für den Inhalt seiner Broschüren, die Aufschrift der Aufkleber und Fahnen ist Lauck in Hamburg nicht zu belangen. Die Herstellung des Materials ist in den USA legal. Hier muß dem Neonazi nachgewiesen werden, daß er den Postversand nach Deutschland organisiert und zu verantworten hat. Um den Vertriebsweg nachvollziehen zu können, ließ sich das Gericht vor der Sommerpause vom Verfassungsschutz über die Strukturen der NSDAP/AO aufklären. Der ehemalige VS-Beamte Heinrich Sippel beschrieb den Versuch Laucks, in Deutschland ein „nationalsozialistisches Zellensystem“ aufzubauen – und erklärte ihn für gescheitert: Laucks engem MitarbeiterInnenkreis hier gehörten zehn bis zwölf Personen an. Nur rund hundert Fördermitglieder zähle die NSDAP/AO in der Bundesrepublik.
Daß diese von Lauck persönlich mit Propagandamaterial versorgt wurden, bestreitet dessen Anwalt Hans-Otto Sieg: Laucks Mitarbeiterin in den USA, Opal Soltau, habe allein die weltweite Versendung der Post zu verantworten. Der Gründer und führende Kopf der NSDAP/AO habe angeblich nicht einmal davon Kenntnis gehabt.
Der Anwalt verlangte, Opal Soltau als Zeugin zu laden. Dies wurde vom Gericht jedoch abgelehnt. Alle bisherigen Beweise wie Briefwechsel und abgehörte Telefonate ließen keinen Zweifel daran, daß Lauck etwas mit der Verschickung der Materialien zu tun habe. Elke Spanner
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