: Der total christliche Buchladen
■ Bremer Buchhandlungen fürs Besondere (4): Die „Oase“ ist Bremens komischste Buchhandlung, deren Anliegen gleichwohl ein ernstes ist: Mission
„Sieh dich vor: Christ mit Humor!“ Diesen Spruch, versehen mit einem lachenden Männchen mit Bibel, gibt es auf ein T-Shirt gedruckt und zu kaufen in einer einigermaßen komischen Bremer Buchhandlung: der „Oase“. Die Leuchtreklame über der Tür zeigt einen blauen Wal und ein weißes Kamel sowie den Hinweis: „Der total christliche Buchladen“. Und siehe: es wird nicht zuviel versprochen!
Junge Leute gehen im Geschäft des Freikirchlers Ralf Moritz (36) in der Friedrich-Ebert-Straße 21 zwischen einem plüschigen Friseur und einem Comic-Café ein und aus und versehen sich mit allem, was der Versandhandel an christlichem Killefit bereithält: Stickers fürs Auto („Folgen Sie nicht mir – folgen Sie Jesus“); Plastikkreuze am Lederband; Kissen, auf denen steht: „Jesus liebt dich!“; 30 Zentimeter große Bekenntnis-Aufkleber „Ich bin ein Christ“.
Bücher gibt's auch. Nicht alles Mögliche, bewahre! „Nur glaubensstärkende Bücher“, erklärt Ralf Moritz. Christliche Romane. Krisen-Bewätigungs-Titel. Frommes und Erbauliches. Christliche Kinderbücher. Mit Büchern macht Moritz, Vater von vier Kindern, noch etwas mehr als den halben (kärglichen) Umsatz der Oase. Der Rest ist Zubehör. „Für nicht verkrampfte Christen. Die wollte Jesus auch nicht.“ Unverkrampft muß man sein, um den der Playboy-Reklame nachempfundenen Sticker „Prayboy – der Herr ist mein Hirte“ toll zu finden.
Natürlich ist Christsein nicht nur ein Witz. Die Schaufenster sind in der Art eines schmucklosen Kirchenfensters dekoriert, davor ein aus Dachlatten zusammengehauenes Holzkreuz. Stacheldraht windet sich um christliche Neuerscheinungen. Und Moritz findet sein Geschäft zwar kommerziell orientiert (keine Zuschüsse von irgendeiner Kirche); er sieht sich aber durchaus als Evangelist, Missionar. An den Haken gehen ihm zuweilen verlorene Junkies und Obdachlose, die er nach Kräften weitervermittelt. Doch seine Frohe Botschaft ist: „Christsein ist nie langweilig. Christsein ist anders.“ Auf der Kasse klebt der Spruch: „Ich gehöre zu Gottes Bodenpersonal.“ Eine sehr freie Übertragung von 1 Korinther 3.9.
Der Laden ist etwa sieben Jahre alt, wurde früher halbtags und ehrenamtlich geführt. Eines Tages stieg die christliche Fußballegende Wynton Rufer mit ein und war bis Anfang des Jahres der Chef. Leider verließ er Werder und ging nach Japan. Zurück ließ er ein paar Videos über „die schönste Nebensache der Welt“, besonders aber über die schönste Hauptsache der Welt (Jesus). Die Videos sind inzwischen schwer verkäuflich.
Moritz kam zum Laden wie der Fisch zum Fahrrad; Buchhändler ist er nicht, aber der Glaube hilft im Zweifel weiter. Nach Rufer sprang er ein und führt die Oase seitdem über die Sommerflaute hinweg, den Blick fest aufs Weihnachtsgeschäft geheftet. Dann wird's brummen, hofft er. Dann gehen sie über den sparsam ausgestatteten Ladentisch: Bibeln, Videos über „Jesus“ oder die Konkurrenz (Scientology), Kassetten mit einem verrockten „Ehre sei dem Namen des Herrn“, Ratgeber über „Die Frau aus biblischer Sicht“ (mit den Kapiteln: Ehrbar sein; Beherrscht sein; Rein sein). Oder Harry Müllers „Weil Du Du bist – befreite und erfüllte Sexualität“. Wie überlebt man als Single? Treue ohne Langeweile. Die physiologische Notwendigkeit der Selbstbefriedigung speziell für den Mann. Weiß Gott, lustige Christen reden heute über alles. Harry Müller: „Wer onaniert, wird nicht homosexuell!“ BuS
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