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Ninja-Schwert gegen Polizisten

■ Angeklagter kam mit Geldstrafe davon /Er hatte laut Gutachter eine „verwahrloste Kindheit“ und lebt in einer „eigenen Welt“

Den beiden Polizeibeamten kam die ganze Sache irgendwie spanisch vor. Oder japanisch. Völlig unbehelligt schlenderte da eine schwarze Gestalt vor der Bremer Kunsthalle vorbei – ganz selbstverständlich ein ein Meter langes Ninja-Schwert über dem Rücken. Überprüfungswürdig, befanden die beiden Ordnungshüter und wurden dafür mit einer Schwertvorführung a la Samurai belohnt. Was das Gericht gestern als Widerstand gegen die Vollstreckungsbeamten mit einer Geldstrafe von knapp 3.000 Mark ahndete, wertete der Angeklagte Rudolf K. jedoch nur als ganz normalen „Affentanz“.

Eigentlich, sagt Rudolf K., habe er das Schwert nur verkaufen wollen. Klar, dachte er, daß es „tierisch Ärger geben“ könnte mit der Polizei. Und die kamen auch, hätten ihm aber gleich eine Schußwaffe hingehalten. „Der eine hat gezittert, da wußte ich nicht, was der sonst noch tut“, sagt der ganz in schwarz gekleidete Rudolf K. auf der Anklagebank, die Augen fest auf den Richter geheftet. Schließlich habe er das Schwert gezogen: „Die sollten mir das endlich abnehmen“. Und dann habe er sich die Spitze selbst vor den Bauch gehalten. „So, so, so“, zeigt Rudolf K., steht auf, ergreift das vom Richter hingehaltene nostalgische Schwert und vollführt eine Schwertfuchtelei nach bester japanischer Kriegerart. „Und diese Bewegung, die nehmen sie mir krumm“. Daß ihn dann der Hund vom Beamten gebissen habe, er überwältigt und mit auf die Wache genommen wurde, „das kann ich verschmerzen“.

„Recht lustig“ soll es dann auf der Wache zugegangen sein, berichtet Zeuge Robert, Polizeibeamter mit Birkenstock-Schuhen und blondgefärbtem Strähnchenhaar. „Telepathischen Kontakt“ will der Angeklagte mit dem Beamten und seiner Schußwaffe aufgenommen haben. „Deshalb hat der auch die ganze Zeit nichts gesagt“, erklärt Zeuge Robert. In Hockstellung habe der Angeklagte verharrt, die Schwertspitze am Bauch. „Der will gewußt haben, daß keiner schießt.“

Vorahnungen - davon hat Rudolf K. in seinem Leben schon eine Menge gehabt. Kolumbianische Drogenkartelle will er im Bremer Viertel aufspüren, seit acht Jahren will er der „Stasi und den Russen“ in Wismar und Rostock an den Kragen, die dort in dubiose Drogengeschäfte verwickelt seien. „Doch da bin ich mir noch nicht sicher“, sagt Rudolf. „Doch irgendwas muß da gewesen sein“. Weil sich der mittlerweile 45jährige doch nie ganz sicher ist, will er die Wahrheit finden. Als „Gloriatrotter“, „Globetrotter“ berichtigt der psychiatrische Gutachter, zog er als Jugendlicher acht Jahre durch die ganze Welt. Marocko, Tunesien, Spanien, Ägypten – dort wollte er die Wahrheit aus der erfundenen Geschichte „Der Herr der Ringe“ finden und mit Mönchen und Priestern auf die Suche gehen, nach dem Land Modor mit seinen Elfenköniginnen und Zwergen. „Ein schönes Buch, keine Frage“, entgegnet Richter Wacker lapidar. „Doch reine Fiktion“. Daß sein Vater als US-Offizier im Vietnamkrieg starb, daß auch er sich als Freiwilliger bei der US-Army seit zwanzig Jahren verdingt, alles will der Angeklagte loswerden. Sogar den Oberstaatsanwalt hält er im Gerichtsflur fest, um ihn endlich auf die richtige Fährte der Viertel-Drogenszene zu bringen.

Seine Kindheit verbrachte er verwahrlost zuhause bei Mutter und vier Geschwistern und später in der Jugendpsychiatrie. „Der Angeklagte lebt in einer für uns skurrilen Welt, in der er sich immer wieder fragt: Wohin gehe ich, und wo ende ich“, verkündet der Gutachter in seinem letzten Satz. kat

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