: Volksverhetzung als Grundrecht
Wegen Volksverhetzung stehen zwei Verleger des rechtsextremen „Verlags der Freunde“ vor Gericht. Sie berufen sich auf Meinungsfreiheit ■ Von Barbara Bollwahn
Die Stimmungsmache beginnt bereits vor dem Gerichtssaal: Die Angeklagten verteilen Flugblätter, ihre Anwälte versuchen, die wenigen Zuschauerbänke im Gerichtssaal für die Anhänger ihrer Mandanten zu reservieren. Daß eine Schulklasse rein zufällig in das Verfahren wegen Volksverhetzung gekommen ist, paßt ihnen gar nicht. Der couragierten Richterin Maietti ist es zu verdanken, daß schließlich fünfzehn Schüler auf den Zuschauerbänken Platz nehmen können. „Es kann nicht sein“, sagt sie, „daß die Sympathisanten den Saal stürmen und die anderen weggedrängt werden.“
Seit gestern wird vor dem Amtsgericht Tiergarten ein Verfahren wegen Volksverhetzung und der Verbreitung von Propagandamaterial verfassungswidriger Organisationen verhandelt. Andreas R. (43) und Peter T. (35) sind die Verleger des rechtsextremen „Verlags der Freunde“, die die Zeitung Sleipnir herausgeben. Sie müssen sich wegen der Herausgabe von Schriften, die den Holocaust leugnen, und des Verwendens von Kennzeichen nationalsozialistischer Organisationen verantworten – Vorwürfe, die sie nur belächeln. „Die Anklage ist ein Armutszeugnis für die Meinungsfreiheit“, meint Peter T. selbstbewußt. Andreas R., der beteuert, „nur einen ausgewählten intellektuellen Kreis“ mit Literatur zu beliefern, setzt noch eins drauf: Der Volksverhetzungsparagraph sei „eine Verletzung der Grundrechte“.
Verteidiger Hans Günter Eisenecker fordert gar eine Einstellung des Verfahrens. Begründung: Die Anklage, die sich auf 25 beschlagnahmte Zeitungen, Bücher und Videos stützt, sei „wie ein Versandhauskatalog“ und gebe „keinen Aufschluß auf den konkreten Vorwurf der Auschwitzlüge“. Sehr zur Freude der rechten Freunde im Publikum appelliert er an die Richterin: „Haben Sie den Mut und stellen sie ein. Das wäre das größte Verdienst für den Rechtsstaat.“
Das Gericht aber hält die Anklage für „ausreichend bestimmt“ und lehnt den Antrag ab. Bei zwei Razzien wurden mehrere tausend Exemplare der im Verlag herausgegebenen rechtsextremen Zeitschrift Sleipnir und andere Druckschriften wegen Volksverhetzung in Zusammenhang mit der Auschwitz-Leugnung beschlagnahmt. Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes vertreibt der Verlag rechtsextremistische und revisionistische Literatur. Zu den Autoren zählen unter anderem der französische Revisionist Serge Thion und der Neonazi Christian Worch. Außerdem unterhalten die Verlagsinhaber Verbindungen zu Rechtsextremisten und bieten diesen Gelegenheit, ihre revisionistischen Auffassungen zu verbreiten.
Sleipnir versucht ähnlich wie die Junge Freiheit durch Einbindung bürgerlicher oder linker Autoren rechte Themen gesellschaftsfähig zu machen. „Durchbrechen verkrusteter ideologischer Barrieren“, nennt Anwalt Eisenecker das angebliche Anliegen der Zeitschrift. Oftmals werden Beiträge ohne Wissen der Autoren verwendet. Das Verfahren, das bis Jahresende dauert, wird nächsten Montag fortgesetzt.
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