: Ein Gespenst namens Klemann
Lange Zeit war vom neuen Bausenator Jürgen Klemann nichts zu sehen und zu hören. Sein Verhältnis zum Regierenden Bürgermeister ist angespannt ■ Von Severin Weiland
Bei der Grundsteinlegung des Neubaus der Dresdner Bank wurden Bausenator Jürgen Klemann kürzlich wieder einmal seine Grenzen aufgezeigt. Parteigänger Eberhard Diepgen, erholt und gebräunt von einem USA-Aufenthalt zurückgekehrt, konnte sich die Stichelei vor der versammelten Presse am Pariser Platz nicht verkneifen. Es war eine jener subtilen Machtdemonstrationen, die Diepgen den Ruf eines oftmals arroganten Politikers eingebracht haben. Ob Jürgen denn auch über die Planungen des US-Stararchitekten Pei hinter dem Deutschen Historischen Museum informiert sei? „Nö“, lautete die Antwort. „Aber ich“, lächelte der Regierende und fügte süffisant hinzu: „Von allerhöchster Stelle“ – womit er offen ließ, ob er nun den Kanzler oder Pei persönlich meinte.
Die Szene am Pariser Platz verrät einiges über das angespannte Verhältnis zwischen Diepgen und Klemann. Wo der Bau- und Verkehrssenator auftritt, wird er meistens zur Statistenrolle verdammt. Vor einigen Monaten, auf einer Pressekonferenz mit der Bahn AG, durfte Klemann einige Bemerkungen machen. Ansonsten aber riß Diepgen die Konferenz an sich und ließ sich kenntnisreich und detailliert über die Planungen aus. Auch intern läßt Diepgen keinen Zweifel, wer der Hausherr ist: Vor versammelter Senatorenrunde verdonnerte er den sich zunächst windenden Klemann dazu, für die Landesregierung an den Sitzungen des Ältestenrates im Abgeordnetenhauses teilzunehmen.
Daß Klemann überhaupt Bausenator wurde – in der vorangegangenen Legislaturperiode war er für Schule und Sport zuständig – verdankt er weniger seiner fachlichen Kompetenz als vielmehr der Rücksichtnahme auf die innere Machtbalance der Partei. Klemann ist Vorsitzender des Kreisverbandes Zehlendorf, des größten in der CDU, und für den CDU- Landesvorsitzenden Diepgen daher eine unabdingbare Stütze.
In Zehlendorf sammelte Klemann von 1981 bis 1986 Erfahrungen als Baustadtrat und Bürgermeister, blieb aber unauffällig und unspektakulär. Kaum zum Bausenator ernannt, widmete er sich zunächst ausgiebig der Umgestaltung seines Arbeitszimmers – als wollte er sich auch geschmäcklerisch von seinem Amtsvorgänger absetzen. Im Gegensatz zu Wolfgang Nagel, der kaum eine Gelegenheit zum öffentlichen Auftritt ausließ, war Klemann wochenlang von der Bildfläche verschwunden.
In fachlicher Hinsicht verhielt sich Klemann wie ein Mann, der geradezu panisch auf der Flucht vor der Fachwelt schien. Im Frühjahr wagte er sich zum ersten Mal an die Öffentlichkeit, als er den Behnisch-Entwurf für den Neubau der Akademie der Künste kritisierte. Er forderte Nachbesserungen und eine Einhaltung der Gestaltungssatzung, weniger Glas und mehr Stein. Doch Günter Behnisch tat genau das Gegenteil dessen, was andere Architekten an seiner Stelle getan hätten. Statt sich den politischen Vorgaben zu beugen, übertraf sein zweiter Entwurf den ersten noch an gläserner Transparenz. Klemann forderte erneute Überarbeitung. Am Senatstisch aber geriet er in die Defensive. Daß Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) den Behnisch-Entwurf emphatisch begrüßte, hätte ihm noch gleichgültig sein können, weil sein ärgster Konkurrent fachlich in Sachen Akademie nichts mitzubestimmen hat. Doch ausgerechnet der alte Diepgen-Vertraute, Kultursenator Peter Radunksi (CDU), fand plötzlich Gefallen an der Glasakademie. Der Regierende selbst äußerte sich bislang nicht. Doch im Senat wird darüber gemunkelt, daß es ihm vor allem darum gehe, das Schönberg-Archiv in die Akademie zu holen. Im Streit um den Neubau kann sich Klemann bislang auf die CDU-Fraktion verlassen. Klemanns Bild von der Stadt entspricht den Wünschen des konservativen Milieus des bürgerlichen Westberlins: mehr Historismus, weniger Moderne.
Weil die Planung für den Pariser Platz, bis auf die Akademie der Künste, unter Nagel weitgehend abgeschlossen wurde, muß nun der Schloßplatz als Ersatz für Klemanns Vision herhalten. Vehement plädiert er für die zumindestens äußerliche Wiederherstellung des zu DDR-Zeiten gesprengten Schlosses. Angesichts solcher fast schon biedermeierlich anmutender Vorstellungen war es um so überraschender, daß ausgerechnet Barbara Jakubeit zur neuen Senatsbaudirektorin bestellt wurde. Nicht ohne Grund wurde gemutmaßt, die frühere Präsidentin der Bundesbaudirektion, modernen Entwürfen nicht abgeneigt, sei auf Wunsch von Diepgen und Bundesbauminister Töpfer Klemann zur Seite gestellt worden. Wenige Wochen in Berlin, ließ sie vorsichtig zwar, aber deutlich genug, ihre Sympathie für den Behnisch-Entwurf durchblicken. Der „steinerne historische Bau in einer gläsernen Vitrine“, sagte sie in einem taz-Interview, rechtfertige „eventuell eine andere Interpretation der Gestaltungssatzung“. Nicht nur Senatsmitglieder sind gespannt, wie das Duo Jakubeit/Klemann miteinander auskommen wird.
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