ABM-Kraft gegen Graffiti

■ Arbeitssenator und Arbeitsamt investieren eine halbe Million Mark in farblose Wände

Arbeitssenator Uwe Beckmeyer steht feixend am Weserufer und freut sich: Zwei Männer im gelben Regenmantel, mit Schutzbrille und Handschuhen bewaffnet, ringen mit einem gelben Schlauch. Die unberechenbare Schlange preßt unaufhörlich Wasser auf eine graffitibemalte Wand der Stephanie-Grundschule. Nach fünf Minuten hat der agressive Strahl eine kleine Ecke in das blau-silberne Graffiti-Bild gefressen. Eine Stunde später ist die Wand wieder mausgrau. „City-Clean“ heißt das Beckmeyersche Zauberwort, der Arbeitssenator klatscht begeistert in die Hände: „Endlich wird Bremen sauber“, freut sich der Senator und die Graffiti-Szene auch: Ganz kostenlos sollen jetzt öffentliche Wände, Brücken und Autobahndurchfahrten freigestrahlt werden und neuen Platz für Graffiti-Kunstwerke bieten.

„Das schreckt die Sprayer ab“, ist sich Meister Bernd Schubert sicher, der neben dem Hochdruckreinigungsgerät „City-Clean-Trailer“ steht und kaum sein eigenes Wort versteht. Der Kompressor dröhnt und scheppert, vibriert und preßt. Wütende Fahrradfahrer stolpern samt Rad und Reifen über das gelbe Schlauchgewirr, das sich auf dem Fuß- und Radweg am Weserufer entlangschlängelt: Die „City-Clean-Demonstration“ a la Beckmeyer&Co fordert erste Opfer. Meister Schubert steht schreiend am Rand und schaut den gelben Regenmänteln beim Schuften zu. Die Sonne knallt vom Himmel. Elf Langzeitarbeitslose sollen ein Jahr lang als ABM–Kräfte von Meister Schubert zum „Wandflächenreiniger“ ausgebildet werden. Die Männer kommen vom Verein Hoppenbank, der Langzeitarbeitslose, Sozialhilfeempfänger und vor allem ehemals straffällige Menschen betreut. Kenntnis, Sachverstand, und richtiger Umgang mit dem City-Clean-Trailer: All das sollen die ABM–Kräfte lernen. Der Einsatzplan steht bereits fest: Wenn die ersten fünf Stunden Hochdruckstrahlen in praller Sonne am Stephanitor geschafft sind, müssen die elf Wandflächenreiniger nur Richtung Weserstadion blicken: Zunächst soll die gesamte Weserufermeile abgestrahlt werden. Dann sind Brücken, Haltestellen, Schulfassaden und Unterführungen dran. „Einsatzplan“, nennt Arbeitssenator Beckmeyer das und spricht von einer sinnvollen Mischung zwischen „aktiver Stadtsanierung“ und „sinnvoller Arbeitsbeschaffungsmaßnahme.“ „Aktive Stadtsanierung“, das heißt für Arbeitssenator Beckmeyer rund 120.000 Mark aus dem Stadtreparaturfonds für die Clean-Aktion zu stibitzen. Insgesamt läßt sich die Stadt Bremen den ABM-geförderten Sprühspaß rund 537.000 Mark kosten.

Meister Schubert steht immer noch am Rand und schwärmt in notorischem Brüllton von dem „hohen technischen Standard“ der Maschine: Rund 17.000 Mark Miete muß das Clean-Projekt für das sonst 80.000 Mark teure Gerät bezahlen. „Da ist ein Druck drauf, sag' ich Dir“, sagt Schubert und „ganz umweltschonend“ sei das Gerät auch: Das Sand- und Wassergemisch greift kaum empfindliche Flächen an. Ob Brandenburger Tor oder Christus-Treppen in Rio: „Das Ding hat schon so einiges weggeputzt“, verrät Meister Schubert. Daß sich die Graffiti-Sprayer durch die Clean-Aktion noch mehr angepeitscht fühlen könnten, weisen die Saubermänner strikt von sich. An dem Sauberkeitseffekt zweifelt in der Runde am Stephani-Tor keiner: „Wenn alles ganz sauber ist, dann sind die Sprayer gehemmt“, sagt Schubert.

„Wenn die Fläche voll ist, sprühen die nur noch mehr drauf“, weiß auch Arbeitssenator Uwe Beckmeyer. Die Stadt sei auf dem richtigen Weg: Wenn jetzt noch ein Anti-Graffiti-Beirat ins Leben gerufen werde, könnte sich Bremen zu einer der saubersten Städte mausern. „Dann werden auch die Bremer Bürger zu mehr Eigeninitiative ermuntert werden“, so Beckmeyer. Diesen Vorstoß hatte jüngst auch Bürgermeister Nölle gewagt, der sich mit seiner geplanten Anti-Graffiti-Aktion aus dem Fenster lehnte und Patenschaften für öffentliche und private Häuserwände anpries. Doch Nölle hüllt sich bisher in Schweigen: „Wir sind noch nicht so weit“, gibt eine Sprecherin im Finanzressort zu. Ob sich keine Paten auftreiben lassen, konnte sie nicht sagen. kat