Wenn der Staatsschutz zweimal klingelt

■ Staatsanwaltschaft durchsucht erneut das Büro der Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienst und Militär nach angeblich beleidigenden Plakaten

Erneut haben Staatsanwaltschaft und Polizei gestern vormittag die Räume der Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienst und Militär in der Kreuzberger Oranienstraße durchwühlt. Anlaß für die über vierstündige Razzia mit rund 30 Beamten war auch dieses Mal die Persiflage der Kampagne auf die Bundeswehrwerbung mit dem Slogan „Ja, Morden!“ Um den von der Staatsanwaltschaft angedrohten Abtransport der gesamten Büroeinrichtung zu verhindern, erklärte sich Kampagne-Mitarbeiter Christian Herz verantwortlich für die Wiederauflage des Plakats. Ihm droht nun ein Verfahren wegen Beleidigung.

Grundlage für die Aktion des Staatsschutzes sei eine neue Anzeige, sagte der leitende Oberstaatsanwalt Heinkel gestern. Aber er stütze sich auch auf die Anzeigen des Bundesverteidigungsministeriums und des ehemaligen Generalinspekteurs der Bundeswehr, Klaus Naumann, und anderer Bundeswehrgrößen.

Aufgrund dieser Anzeigen wurden bereits Anfang März die Büros der Kampagne und die Anzeigenabteilungen von taz und junge Welt durchsucht. Beide Zeitungen hatten das Plakat als Anzeige veröffentlicht, das sich gegen den Einsatz der Bundeswehr in fremden Ländern einsetzt. Im Text heißt es: „Menschen zu töten gehört zur Tradition von (deutschen) Armeen.“ Doch der Staatsschutz kam zu spät: Der Tatbestand der Beleidigung war bereits verjährt.

Auslöser für die neuerliche Durchsuchung war eine Aktion von Kriegsdienstgegnern in Köln. Dort seien in einer Ausstellung original Bundeswehrplakate mit der Persiflage überklebt worden, erklärte Justizsprecher Rüdiger Reiff. Auf den Satireplakaten stand die Adresse der Kampagne in Berlin.

Der Staatsschutz beschlagnahmte gestern über 400 der gesuchten Plakate, die teilweise noch originalverpackt waren. Die Kampagne wollte damit gegen die neue Imagewerbung der Bundeswehr plakatieren.

Mit der neuerlichen Durchsuchung wolle er den Verantwortlichen für die Plakate finden, so Oberstaatsanwalt Heinkel. Doch Christian Herz glaubt nicht daran. Er vermutet, daß Heinkel mit solchen Aktionen Kriegsdienstgegner und Beratungsstellung für Verweigerer einschüchtern wolle. So erklärt sich auch Kampagne-Mitarbeiter Michael Behrendt die „völlig überzogene Durchsuchung aufgrund eines geringen Vorwurfs“. „Eigentlich zielt die Staatsanwaltschaft auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Ausspruch ,Soldaten sind Mörder‘, die sie mit meinem Verfahren wieder aushebeln wollen“, folgert Herz. Oberstaatsanwalt Heinkel hat bereits angekündigt, Beschwerde einzulegen, sollte das Gericht im Sinne der Kampagne entscheiden. Torsten Teichmann