: All the President's Men
Hollywood im Präsidentschaftswahlkampf – wer auf Parties noch zugibt, die Republikaner wählen zu wollen, wird mit einem kräftigen „Sieg Heil“ begrüßt. Von Steven Spielberg bis Sharon Stone – soviel Spenden waren nie ■ Von Mariam Niroumand
Jahrelang waren wir verrückt nach dem Reagan-Film“, schrieb der amerikanische Kritiker Jim Hoberman kürzlich verwundert; „er präsentierte sich den Amerikanern nacheinander als good Joe, Patriot, Cowboy und Firmensiegel. Alles zusammen ergab den Politiker Ronald Reagan, ein Märchen von Sehnsucht und Versagen, Puritanismus und Gier. Der Massen-Reaganismus auf seinem Höhepunkt war ein Pop-Phänomen, das der Beatlemania in nichts nachstand.“
Kein Händchen für Hollywood
Mit dem Pop-Bonus für die Republikaner ist es dieser Tage eindeutig vorbei. Dole hat kein Händchen für Hollywood, und Hollywood hat keins für ihn. Auf dem Parteitag der Grand Old Party in San Diego waren in diesem Jahr nicht einmal Arnold Schwarzenegger oder Bruce Willis zugegen, die sonst niemals fehlten. Schwarzenegger hatte sich noch höflich mit der Promo-Tour für seinen Film „Eraser“ (bitte umblättern) entschuldigt, Willis hatte zu seiner Entlastung einen Streit um „Striptease“, den Passionsfilm seiner Frau Demi Moore, vom Zaun gebrochen und konnte solchermaßen aus Düpiertheitsgründen wegbleiben.
Charlton Heston, der noch heute gerne von den guten Zeiten spricht, die er mit Ronald Reagan im Air Force One verbrachte, war einfach gar nicht erst aufgetaucht. „Dieser Kandidat braucht mich nicht“, hatte er höflich erklärt, und pragmatisch hinzugefügt, er werde nun die Kampagne der Republikaner dort unterstützen, wo es nötiger sei: bei den Sitzen für die Kongreß- und Senatswahlen. „Bei Fundraiser-Kampagnen“, so erklärte Heston dem Branchenblatt Variety, „können sie einfach 250 Dollar dafür verlangen, daß sich jemand mit mir fotografieren läßt. Das macht was aus! Das macht wirklich was aus!! Ich habe schon 300 Stück an einem Abend geschafft. Das ist eben Kleinarbeit. Mit Barbra Streisand im Weißen Haus Abendessen ist ja gut und schön. Aber mit Politik hat das nichts zu tun.“
Überhaupt ist die Unterhaltungsindustrie offenbar keineswegs politikverdrossen. Auf Bill Clintons großer Wahlparty am 12. September, für die Eintrittspreise von 2.500 Dollar aufgerufen werden, treten Barbra Streisand und die Eagles auf – Sehnsucht ohne Gier also, ein Angestelltenprogramm.
Es heißt, Clinton selbst würde nicht Saxophon spielen, aber allein die Tatsache, daß man weiß, er könnte, macht in diesem Wahlkampf den ganzen Unterschied. Im Gegensatz zu früher sind heute nicht nur die Schönen, sondern auch die Reichsten Spender für die Demokraten.
Spätestens seit der New Yorker anläßlich von Clintons Wahlslogan „It's the economy, stupid!“ berichtete, ausgerechnet dieser Präsident habe die besten Wirtschaftsdaten aufzuweisen, auch wenn ihm dafür niemand so recht Kredit gebe, spürt man wieder den Atlantik: Können Sie sich in Deutschland einen Sozialdemokraten vorstellen, der Leute mit Geld um sich schart, ohne ideologisch in Verdacht zu geraten?
Schmeckte nach Nachmittagsfernsehen
Steven Spielberg, David Geffen und Jeffrey Katzenberg, alle DreamWorks, gaben je 100.000 Dollar; Sharon Stone, Steve Tisch, der Produzent von „Forrest Gump“, oder Lauren Bacall, die seit den McCarthy-Tagen für die Demokraten eintritt, beteiligten sich ebenfalls mit sogenannten „hübschen Summen“.
Zwar hatte auch der Republikaner-Parteitag ein wohlchoreographiertes Minderheitenprogramm, aber es schmeckte nach Nachmittagsfernsehen. Wenn Whoopi Goldberg und Magic Johnson wie vergangene Woche mit Clinton durch Los Angeles touren, spricht niemand mehr davon, daß Clinton die „schwarze Karte“ spiele. Es wirkt eher wie ein naturwüchsiges Sesamstraßen-Ensemble. Sie sind einfach die Entourage auf dem Weg von Washington zum Demokraten-Parteitag nach Chicago, ein Weg, den Clinton auf Anraten seines Medienstrategen Harry Thomason im Zug zurücklegen soll: This land is my land, der Präsident als Hobo. Zu dieser Entourage gehört auch eine Gruppe namens „Artists for a Democratic Victory“, der sich Leute wie Richard Dreyfuss oder Joanne Woodward angeschlossen haben, und deren Name sicher mit Bedacht an die Selbsthilfegruppe United Artists erinnert. Spieler der mittleren Liga wie Robin Williams, Coolio, Presidents of the United States of America oder Drew Barrymore haben sich auf die Initiative „Rock the Vote“ verlegt, der es ausreicht, wenn die Leute überhaupt zur Wahl gehen.
Minoritäten wählen ihn trotzdem
Andere Minderheiten hat Clinton verärgert – was ihn jedesmal den Kopf kosten könnte – aber sie wählen ihn trotzdem. Schwulen- und Lesbengruppen in Hollywood wie „Out There“ nehmen ihm zum Beispiel übel, daß er den „Defense of Marriage Act“ unterschrieben hat, ein Gesetz, daß die Ehe zwischen Gleichgeschlechtlichen verbietet. Aber, so sagte die Sprecherin Nina Jacobson gegenüber Variety, „wir brauchen ihn noch vier Jahre. Schließlich brauchen wir die Obersten Richter.“ (Der amerikanische Präsident besetzt die Richterposten des Obersten Gerichts, das einschneidende Entscheidungen über Themen wie Abtreibung, Einwanderung, Homosexualität, Zensur und so weiter trifft.)
Zuviel Kosmopolitismus und Jazzigkeit soll Clinton aber auch nicht an den Tag legen. Branchenfunktionäre wie Jack Valenti, der unter Präsident Lyndon B. Johnson Pressesprecher war, halten dem Präsidenten vor, er habe in den Gatt-Verhandlungen über die Zukunft der europäischen audiovisuellen Industrie zuwenig Zähne gezeigt („Wir wollten einen Helden und bekamen einen Feigling“, heißt es zur Strafe in „Independence Day“ über den jugendlich wirkenden Präsidenten). Valenti wiederum hielt ihm auf einer Pressekonferenz kürzlich aber auch zugute, gegen Piraterie und für strikteres Copyright hart und fest gewesen zu sein, speziell gegen China! Für Hollywood, so munkelt Valenti, kann es nur besser werden. „Wenn ein Präsident seine letzte Amtszeit antritt, hat er nur ein Ziel: Er will für alle Zeiten als großartiger Präsident verehrt werden. Und die Chancen stehen nicht schlecht.“
Auf Parties mit „Sieg Heil“ begrüßt
Unter diesen Vorzeichen leuchtet ein, daß sich die Republikaner unter den Partygängern Hollywoods eher unauffällig benehmen. Ein bekannter Drehbuchautor, der von Premiere nicht näher genannt wird, erzählte der Zeitschrift, er habe neulich, als man so stand und plauderte, fallenlassen, er werde wohl für Dole stimmen, da habe ihn ein Tischnachbar, ebenfalls eine bekannte Größe, mit einem kräftigen „Sieg Heil“ gegrüßt.
Wie der „Clinton-Film“ aussehen könnte, der den „Reagan- Film“ ablöst, könnte sich schon bald herausstellen, wenn nämlich „Primary Colors“ verfilmt wird, der Schlüsselroman vom inzwischen geouteten Joe „ist gar kein Schwarzer“ Klein.
Mike Nichols, der Regisseur, der zuletzt hier mit dem Nicholson- Vehikel „Wolf“ aufgetreten war, hat aus eigener Tasche für 1,5 Millionen Dollar die Rechte erworben und kann nun jedem Studio seine Bedingungen diktieren. Emma Thompson ist als Präsidentengattin im Gespräch, Tom Hanks und Jack Nicholson für die beiden männlichen Hauptrollen.
Ob es bei der Besetzung gelingt, die etwas weinerliche Attitude des Buches gegenüber den Versuchungen des Kandidaten Clinton aufrechtzuerhalten, ist glücklicherweise mehr als fraglich.
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