Wo die Blindfische wohnen

Naturkundliche Schätze Hamburgs werden wohlgehütet und schlecht betreut /Teil 1: Die Sammlungen der Botanik und Zoologie  ■ Von Vera Stadie

Schätze aus aller Welt verstecken sich in den naturwissenschaftlichen Instituten der Hamburger Universität. Das Mineralogische, das Geologisch-Paläontologische, das Zoologische Institut und das Institut für Angewandte Botanik verfügen über naturkundliche Sammlungen, die nicht nur zu den führenden Europas gehören, sondern zum Teil einzigartig in der Welt sind.

Der Öffentlichkeit sind diese Kostbarkeiten nur in Ausnahmefällen zugänglich; die Bestände sind über die verschiedenen Institute verstreut. Die Hansestadt verfügt – im Gegensatz zu anderen europäischen Metropolen – über kein Naturkundemuseum, denn das Naturhistorische Museum am Steintorwall wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Seither verstauben die naturkundlichen Ausstellungsstücke überwiegend einsam vor sich hin.

Dabei sind sie sehenswert. So hortet das Institut für Angewandte Botanik an der Marseiller Straße tausende floraler Schätze: Nutzpflanzen von der Kaffeebohne bis zur Kokosnuß. Als Nahrungs- und Rohstofflieferanten sind sie heute noch genauso gefragt wie im 19. Jahrhundert, als Physikus Dr. H.W. Buek seine Samen- und Früchte-Sammlung dem Staate hinterließ. Die Bueksche Privatsammlung umfaßte etwa 10.000 Pflanzenarten aus aller Welt und bildete den Grundstock der heutigen Sammlung im Institut für Angewandte Botanik.

Ende des 19.Jahrhunderts wollte man die wirtschaftlich wichtigen Pflanzen der Allgemeinheit in einem „Botanischen Museum“ nahebringen. „Es sollen dadurch die reichhaltigen Schätze dem großen Publikum zugänglich gemacht, und durch die Zusammenstellung von wichtigen Handelsobjekten sollte das Institut zu einem auch für den Handel nutzbringenden ausgestattet werden.“ hieß es in einer Schrift der Botanischen Institute der Hansestadt.

Bereits 1885 eröffnete das Botanische Museum am Lübecker Tor, 1907 zog es um an seinen heutigen Standort am Dammtor in den damaligen Botanischen Garten. Man wollte zu diesem Zeitpunkt – Deutschland war Kolonialmacht geworden – „dem breiten Publikum die Vielseitigkeit der Nutzpflanzen und ihrer Produkte anschaulich vor Augen führen.“

Der Raum unter des Kuppel des Rundbaus an der Marseiller Straße wird beherrscht vom gewaltigen Luftwurzelgerüst der Würgefeige. Sie stammt aus Kamerun, wurde 1889 dem Botanischen Museum zum Geschenk gemacht und dürfte das älteste noch ausgestellte Sammlungsobjekt sein. In der Schausammlung des Instituts für Angewandte Botanik sind etwa 2800 Ausstellungsobjekte zu sehen, vor allem tropische und subtropische Kulturpflanzen, die für Hamburg deshalb immer schon von Bedeutung waren, weil über den Hafen viele pflanzliche Rohstoffe aus Übersee importiert wurden und werden.

Auch die Zoologen haben einiges zu bieten. Blindfische sammelt Professor Horst Wilkens. Das Zoologische Institut am Martin-Luther-King-Platz birgt eine der weltweit bedeutendsten Sammlungen von blinden Höhlenfischen. Etwa 20 Arten aus aller Welt schwimmen in Wilkens Aquarien. Die ersten brachte sein Lehrer Curt Kosswig Mitte der 50er Jahre aus Mexiko mit. Die Blindfische dienen nur Forschungszwecken; Schaulustige brauchen schon einen guten Vorwand. Ansonsten müssen sie sich mit wenigen präparierten Tieren im Zoologischen Museum zufriedengeben.

Um die Naturwissenschaftlichen Sammlungen in Hamburg ist es schlecht bestellt, denn es fehlt an Betreuungspersonal, Raum und Geld. Als Folge der Einsparungen im Personalhaushalt der Universität ist der Stadt bereits die erste Sammlung verloren gegangen: die einzigartige Sammlung von versteinerten Moostierchen, Meerestieren mit Kalkgehäuse, die als Krusten oder lebende Sträucher auf Steinen wachsen. Weil es sich deren Hege und Pflege nicht mehr leisten konnte, mußte das Geologisch-Paläontologische Institut sie an das Frankfurter Senckenberg-Museum abgeben.

Botanisches Museum, Marseiller Straße 7, Mo – Fr, 9 – 15 Uhr. Zoologisches Museum, Martin-Luther-King-Platz 3, Di – Fr, 9 – 18 Uhr, Sa u. So 10 – 17 Uhr.