Großprojekte ruinieren Berlin

■ Angesichts der desaströsen Haushaltslage kommt auf Berlin die Frage zu, Großbauprojekte möglicherweise zu stoppen

Die Großprojekte könnten zum finanziellen Sargnagel Berlins werden. Das zeigt der Vergleich mit den hessischen Städten Offenbach und Frankfurt, die in den letzten Jahren als erste Gemeinwesen in der Bundesrepublik nahe der Pleite waren.

Das Defizit des 96er Haushalts an der Spree liegt, wenn die jüngsten Prognosen der Finanzverwaltung eintreten, nahe bei 20 Prozent: 8 Milliarden Mark bei einem Landeshaushalt von 43 Milliarden Mark. Allein die drei in Bau befindlichen Großprojekte Messebau, Tiergartentunnel und Olympia-Schwimmhalle haben einen Wert von 3 Milliarden Mark.

Sie ziehen erhebliche Folgekosten nach sich. Am gewichtigsten ist das Projekt Messehallen, deren Rückzahlungstranchen bei rund 200 Millionen Mark pro Jahr liegen. Die Opposition und Teile der SPD gehen inzwischen auf Distanz zu den möglichen Investitionsruinen.

„Solange der Senat am Bau des Tiergartentunnels festhält, wird Berlin seinen Haushalt nicht sanieren können“, meint der bündnisgrüne Verkehrspolitiker Michael Cramer. Der Straßentunnel kostet nach Angaben der Bauverwaltung 750 Millionen Mark. Gebunden seien davon bereits 450 Millionen Mark.

Das bedeutet, daß über diese Summe bereits Verträge abgeschlossen sind, ein Ausstieg also Konventionalstrafe kostet. Cramer ist der Ansicht, „daß man den Tunnel qualifiziert beenden könnte“. Der Tunnel solle am Potsdamer Platz enden und nicht, wie geplant, weiter durch den Tiergarten gegraben werden. Über die Konventionalstrafe bei einem Stopp des Tunnelbaus konnte die Bauverwaltung keine Angaben machen.

Der Messeausbau (4. Stufe) kostet das Land 780 Millionen Mark, davon seien rund 400 Millionen Mark gebunden, sagte die Bausprecherin Sabine Wolff. Ein Verzicht auf das Projekt würde 40 Millionen Mark an Konventionalstrafe kosten.

Solche Strafen müsse man in Kauf nehmen, meinte der grüne Frankfurter Kämmerer Tom Koenigs, wenn man die Stadt nicht einer Dauerbelastung durch Zinsen und Folgekosten aussetzen wolle. Berlin habe es versäumt, „seine Großprojekte einer wirklichen Kritik auszusetzen“. Koenigs ist seit zwei Jahren Kämmerer der höchstverschuldeten deutschen Stadt, Frankfurt am Main.

Das Grundprinzip jeder Haushaltssanierung, sagte der Offenbacher Bürgermeister Gerhard Grandke der taz, sei es, „die Finanzplanung so zu machen, daß sie keine Nettoneuverschuldung bekommen“.

Andernfalls würden die für die Kredite anfallenden Zinsen den Etat und den politischen Gestaltungsspielraum strangulieren. Offenbachs Sanierungsprogramm aus der finanziellen Pleite, das in der Bundesrepublik als der Präzedenzfall gilt, hatte drei Schwerpunkte: Personalabbau, keine Neuverschuldung, Schaffung von Arbeitsplätzen. In Berlin gelten ähnliche Prinzipien, nur daß der Senat die Kreditaufnahme nicht gestoppt, sondern auf einer Höhe von 6,1 Milliarden Mark jährlich eingefroren hat. Christian Füller