: Die Hauptstadt wird im Zeitraffertempo gebaut
■ BDA-Debatte über den „Bauherr Bund in Berlin“: Der Umzugsdruck hat zu falschen Bauentscheidungen geführt. Architekten fühlen sich vom Bund ausgegrenzt
Der Bund ist in der Stadt zwar der größte Bauherr. Als segensreicher Auftraggeber und Partner für hiesige Architekten entpuppt er sich damit aber noch lange nicht. Statt einer Debatte über Architektur von hoher Qualität, statt offenen Wettbewerbsverfahren oder der Suche nach innovativen Ideen, bestimmen Sicherheitsdenken, Termine und Kosten die Interessen der „Demokratie als Bauherr“, sagte Andreas Gottlieb Hempel, Präsident des Bundes Deutscher Architekten (BDA) am Wochenende auf einem Kolloquium zum Thema „Bauherr Bund in Berlin“.
So sei beispielsweise die Einflußnahme der Politiker, das Auswärtige Amt nicht vom Wettbewerbsgewinner Max Dudler bauen zu lassen, ein „schwerer Fehler“ gewesen. Der Bund müsse sich, wenn er ein Wettbewerbsverfahren auslobe, an das Ergebnis halten. Auch bei der Vergabe von großen Bauprojekten, so Hempel, verhalte sich der Bund zwiespältig. Zwar würden Wettbewerbe ausgelobt. Durch die Vorauswahl und die Konzentration auf große, erfahrene Büros kämen kleinere, jüngere und innovative Teams nicht zum Zuge. Dergestalt würden viele „Architektenideen“ ignoriert.
Der BDA-Präsident griff in diesem Zusammenhang auch die Politiker an, deren Sicherheitsbedenken für die Regierungsbauten „die Stadt kaputtmache“. Hempel: „Wenn man sich vorstellt, daß der öffentliche Raum nur von grünen Minnas und Bullen besetzt ist, ist das vielleicht nicht das Richtige.“ Als Architekt könne man da nur den Kopf schütteln.
„Geradezu ausgeschlossen“ fühlen sich die Architekten beim Bau der 8.000 Beamtenwohnungen, die der Bund mit Investoren realisiert. Da sich für die Bauvorhaben nur Investoren samt Projekt bewerben könnten, seien die Baumeister nur abhängiges Anhängsel in dem Verfahren, kritisierte Reinhold Ehlers vom BDA Berlin. Scheitern die Investoren, sei der Architekt gleich mit draußen. Blieben sie im Rennen, seien diese nicht verpflichtet, mit dem Entwurfsarchitekten zu bauen. Ehlers: „Investorenwettbewerbe sind ein Affront gegen Architekten und deren Kompetenz.“
Die Entscheidung, die „Hauptstadt im Zeitraffertempo“ zu bauen, wie Walter von Lom (BDA-Präsidium) monierte, wollten die Bauobleute der Bundestagsfraktionen von CDU und SPD, Dietmar Kansy und Peter Conradi, nicht leugnen. Doch die fixen Planungen für das Parlaments- und Regierungsviertel, so ihr Einwand, hätten vor dem Hintergrund einer hauchdünnen Umzugsmehrheit in Bonn getroffen werden müssen. Außerdem ließ Kansy nicht gelten, daß der Bauherr Bund sich von „Architektenideen“ nicht inspirieren lasse: So werde Norman Foster das Reichstagsgebäude nach ökologischen Kriterien umbauen. Kansy widersprach Ehlers, daß „der Bund sich um den Bau jeder einzelnen Wohnung kümmern könnte“. Die Investorenwettbewerbe seien zur Kosten- und Terminkontrolle unverzichtbar.
Sorgen bereitet den Kritikern der Bundesbauwut weiterhin, daß viele Regierungsgebäude sowie die Büros der Parlamentarier in den Dorotheen- und Alsenblöcken keineswegs in die Stadt eingepaßte Bauprojekte bilden. Angesichts des Termindrucks, bemängelte etwa Zeit-Redakteur Klaus Hartung, habe „kein Dialog zwischen der Demokratie als Bauherr und Berlin über wirklich innerstädtische Bundesbauten“ stattfinden können.
Dort wo jetzt geplant und gebaut werde, im Spreebogen oder am Werderschen Markt, „ist gar keine gewachsene Stadt mehr“, sagte Hartung. Der Anspruch nach Rekonstruktion von Stadt werde durch die Bundesbauten nicht eingelöst. Rolf Lautenschläger
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