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Im "Bruderkrieg" der verfeindeten Kurdenfraktionen im Norden Iraks hat nun Saddam Hussein für vollendete Tatsachen gesorgt. Mitverantwortlich ist die UNO, die nach dem Golfkrieg versäumt hat, für Kurdistan eine politische Lösung zu suchen

Im „Bruderkrieg“ der verfeindeten Kurdenfraktionen im Norden Iraks hat nun Saddam Hussein für vollendete Tatsachen gesorgt. Mitverantwortlich ist die UNO, die nach dem Golfkrieg versäumt hat, für Kurdistan eine politische Lösung zu suchen

Der lachende Dritte ist der Diktator in Bagdad

Es gibt keine kurdische Hauptstadt mehr. Seit Samstag nachmittag weht wieder die irakische Staatsflagge über dem Parlamentsgebäude von Arbil. Nach knapp sechs Jahren hat das Regime von Saddam Hussein erstmals wieder die Kontrolle über die kurdische Metropole im Nordirak übernommen.

Der irakische Vizepremier, Tarik Asis, hatte die Offensive mit der Präsenz iranischer Truppen in der Region begründet. Bagdad sei einem Hilferuf Massud Barsanis, dem Chef der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP), gefolgt, um dem Treiben des „Agenten“ und „Verräters“ Dschalal Talabani von der gegnerischen Patriotischen Union Kurdistans (PUK) Einhalt zu gebieten. In den vor zwei Wochen wieder aufgeflammten Kämpfen zwischen den beiden Parteien habe die PUK Unterstützung aus dem Iran erhalten.

Eine Intervention des Regimes zugunsten einer Seite im innerkurdischen Konflikt? „Kein Kommentar“, heißt es bei den KDP- Vertretungen zu den Erklärungen aus Bagdad. In ihrem Hauptquartier in Salahaddin, 20 Kilometer nördlich von Arbil, ist derzeit niemand zu sprechen.

Nach dem Ende des Golfkriegs 1991 hatten die beiden Parteien die Kontrolle über einen Großteil der kurdischen Gebiete übernommen. Zwar wurde ein Jahr später, im Mai 1992, ihre Regierung mit den Wahlen zum kurdischen Parlament demokratisch legitimiert. Doch konnten sich die beiden Parteichefs nicht einig werden, wer Regierungschef werden sollte. Statt ein politisches Zukunftskonzept zu entwickeln, brachen sie im Mai 1994 einen Krieg vom Zaun. Irakisch-Kurdistan wurde aufgeteilt: Den Süden und die iranische Grenze kontrolliert die PUK, den Norden und die Grenze zur Türkei die KDP. Neun Monate später gelang es der PUK, die Hauptstadt Arbil unter ihre Kontrolle zu bringen. Doch das dahinterstehende Kalkül ist nicht aufgegangen: Mit der Kontrolle über Arbil sollte Barsani zu einer Lösung der Frage um die umstrittenen Zolleinnahmen gezwungen werden. Die Einnahmen aus dem von der KDP kontrollierten irakisch-türkischen Dieselhandel betragen etwa 120.000 Mark. In die PUK-Kassen fließen nur 50.000 Mark aus dem Grenzhandel mit dem Iran.

Das ökonomische Problem wurde für die PUK zusehends gravierender, weil sie mit den Provinzen Arbil und Sulaymaniya zwar das kurdische Zentrum in ihren Händen hatte, aber damit auch über zwei Drittel der kurdischen Bevölkerung versorgen mußte.

Mit den vor zwei Wochen erneut ausgebrochenen Kämpfen hat die PUK noch einmal versucht, das Blatt zu wenden. Gemäß den Vereinbarungen zur UN-Resolution 986 sollten auch die kurdischen Behörden an dem „Öl-für- Nahrungsmittel“-Geschäft zwischen Bagdad und der UN beteiligt werden. Ohne ein Abkommen mit der KDP war jedoch klar, daß die Geschäfte großteils an der PUK vorbeilaufen würden.

Jetzt hat das Saddam-Regime vollendete Tatsachen geschaffen. Die Panzer fahren mit den gelben Flaggen der KDP durch Arbil. Barsani als zukünftiger Präsident eines autonomen Kurdistan? Falls das die Abmachungen sein sollten, müßte er von seinem Vater gelernt haben, daß Geschäfte mit dem irakischen Diktator nie zugunsten der Kurden ausgehen.

Unterdessen haben die USA ihre Einheiten in der Golfregion in Alarmbereitschaft versetzt. Doch zu einem militärischen Eingreifen fehlt ihnen die rechtliche Grundlage. Daran ändert auch die Schutzzone nichts: Der safe haven war im April 1991 von den Alliierten eingerichtet worden, um die in die Türkei geflohenen KurdInnen in den Irak zurückzuführen. Mit dem Abzug der alliierten Truppen im Sommer 1991 endete auch die Schutzzone. Zwar wurde mit der UN-Resolution 688, welche die Verwirklichung der Menschenrechte durch das Saddam-Regime, insbesondere für die Kurden, fordert, die „humanitäre Intervention“ der UN ermöglicht. Doch ein militärisches Eingreifen sieht sie explizit nicht vor.

Sollte es tatsächlich ein Abkommen zwischen Barsani und Saddam Hussein geben, für die internationale Staatengemeinschaft würde sich nur eines ändern: Der innerkurdische Konflikt wäre fürs erste besiegelt. Allerdings zu dem Preis von Hunderten von Menschenleben. Helen Feinberg

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