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Stromhöker bläst gegen Windmüller Wind

Schleswag klagt gegen Windrad-Betreiber / Bundesverfassungsgericht muß jetzt Stromeinspeisungsgesetz prüfen  ■ Von Heike Haarhoff

Widerspricht das Stromeinspeisungsgesetz der Verfassung? Das will jetzt der schleswig-holsteinische Stromkonzern Schleswag geklärt haben. Als bundesweit erstes Energieversorgungsunternehmen hat die Schleswag gegen die Betreiber einer Windkraftanlage in Hanerau-Hademarschen (Kreis Rendsburg) geklagt. Die Betreibergemeinschaft „Windenergie Binnenland GmbH & Co.KG“ soll, so die Forderung vor dem Amtsgericht Plön, 878,60 Mark Strom-Einspeisevergütung an die Schleswag zurückzahlen. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wird nun prüfen müssen, ob das Gesetz zur Stromeinspeisung der Verfassung gemäß ist.

Es geht zunächst nur um 878,60 Mark: Diese Summe entspreche der Differenz zwischen dem Betrag, den die Schleswag laut Gesetz für die monatliche Windstromlieferung an die Windrad-Betreiber bezahlen mußte, und dem – niedrigeren – Preis, den sie dafür freiwillig zu zahlen bereit ist. Das Amtsgericht Plön folgte der Argumentation des Stromriesen: „Das Stromeinspeisungsgesetz ist verfassungswidrig“, faßte Direktor Gert Peters gestern seinen „Vorlagebeschluß“ zusammen, den er dem Bundesverfassungsgericht bereits am 13. Juni zuschickte. Bis zur Entscheidung in Karlsruhe sei das Verfahren ausgesetzt.

Die gesetzlichen Gebühren, zu denen die Schleswag die Wind-Energie abnehmen müsse, schlössen, so Peters, alle Möglichkeiten der freien Preisgestaltung und Vertragsfreiheit aus. „Das ist Verletzung der Berufsfreiheit.“ Ferner verstoße das Gesetz gegen den Gleichheitsgrundsatz: Der Stromkonzern sei „ungerechtfertigt und besonders belastet“, weil verpflichtet, die Energie abzunehmen. Im übrigen sei diese Vergütung ähnlich wie der Kohlepfennig eine „unzulässige Sonderabgabe, die sich nur aus Steuermitteln, nicht aber durch die Belastung eines Unternehmens“ finanzieren lasse.

Die Schleswag „begrüßt“ die Plöner Botschaft naturgemäß als „wichtigen Schritt auf dem Weg zur dringend notwendigen Rechtssicherheit für die Betreiber von Windkraftanlagen“. Ohnehin vergütet sie den ihrer Meinung nach viel zu teuren Alternativstrom wie die meisten Energiekonzerne seit 1995 nur noch „unter Vorbehalt“.

Sollten die Verfassungsrichter zu dem Schluß kommen, daß die Stromriesen den kleinen Energieunternehmen keine Vergütung zu zahlen brauchen, wären die Solar-, Wasser- und Windkraftproduzenten wirtschaftlich am Ende. Der Interessenverband „Windkraft Binnenland“ (WB) aus Osnabrück hingegen betrachtet „diese Aktion“ als „gezielte Provokation und Verunsicherungskampagne gegen die Windenergie“.

Bereits 1995, so WB-Geschäftsführer Reginald Scholz, hätten die baden-württembergische Badenwerk AG sowie der Regionalversorger Kraftwerke Rheinfelden erfolglos versucht, das Stromeinspeisungsgesetz auszuhebeln: Die Energiekonzerne weigerten sich damals schlichtweg, den Betreibern zweier Wasserkraftwerke in Süddeutschland den gelieferten Strom zu vergüten. „Die Betreiber wurden so zur Klage gezwungen“, sagt Scholz. Das Bundesverfassungsgericht aber wies die Anfragen der zuständigen Landgerichte als „unzureichend“ zurück; die Stromunternehmen mußten blechen.

Daß jetzt aber erstmalig ein Energieversorger von sich aus klage, sei „ein Zeichen, daß die endlich eine Grundsatzentscheidung wollen“. Dabei geht es um die jahrelange Streitfrage zwischen den Stromkonzernen und dem Gesetzgeber, ob das Stromeinspeisungsgesetz als rechtswidrige Sonderabgabe oder als zulässige preisrechtliche Konstruktion zu werten sei. Reginald Scholz vertritt letzteres, denn: „Es gibt in Deutschland keinen freien Markt für Strom.“ Bundesländer, -regierung, -rat und -tag sowie der Kieler Landtag sollen bis zum 15. Oktober Stellungnahmen zur Verfassungsmäßigkeit des Stromeinspeisungsgesetzes nach Karlsruhe schicken. Kiel hat bereits erklärt, weiterhin an dem Gesetz festzuhalten.

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