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■ Kein Antidiskriminierungsgesetz für Schwule und LesbenBonn gegen die Mehrheit

Fast keine TV-Serie mag mehr ohne eine schwule Hauptrolle auskommen. Werbeagenturen wenden sich direkt und öffentlich an homosexuelle Kundschaft. An Kohls Kabinettstisch sitzen zwei Herren, von denen in Bonn intern bekannt ist, daß sie für heterosexuelle Tändeleien nicht zu haben sind. Kurzum: Homosexualität ist kaum noch skandalfähig. Ein Fortschritt, der viel damit zu tun hat, daß sich die Betreffenden immer seltener während der vergangenen zwei Jahrzehnte haben nötigen lassen, sich und ihr Leben nach außen hin heterosexuell umzufrisieren.

Trotzdem erntet die Idee des Schwulenverbands von Deutschland, im Bundestag ein – verglichen mit anderen europäischen Ländern – überfälliges Antidiskriminierungsgesetz zu verabschieden, seitens der Regierungsparteien nur Ignoranz. Immerhin räumen FDP-Politiker nichtöffentlich ein, daß es einen Bedarf für ein solches Gesetzeswerk gebe. Allerdings wolle man nicht den Koalitionsfrieden stören.

Nichts fürchten die Freidemokraten offenbar so sehr wie einen Wahlkampf, in dem der Vorwurf gemacht wird, eine Homopartei zu sein. Verständlich: Die Christdemokraten, die sich noch immer vorwiegend an deutschnationalen Stammtischen orientieren, würden genau diesen Makel formulieren. Daß aber selbst die liberalen Teile der CDU nicht fähig sind, dem moralischen Niveau aufgeklärter Gesellschaften nahe zu kommen, verrät viel über deren Angst vor dem Volk und den militanten Katholiken in der eigenen Partei.

Umfragen belegen, daß in Deutschland inzwischen eine Mehrheit der Erwachsenen kein Verständnis dafür aufbringt, daß Homosexuelle benachteiligt werden. Offenbar ist man außerhalb des Regierungsmilieus – was die Akzeptanz unkonventioneller Lebensformen anbetrifft – weiter. Das wäre die Chance der SPD. US-Präsident Clinton hat nicht zuletzt mit seiner offensiven Minderheitenpolitik die Wahl gewonnen. Doch die SPD möchte dies allenfalls am Rande – zäh wird in ihren Gremien ein eigener Antidiskriminierungsentwurf diskutiert. Quasi als Pflichtübung, um nicht gestrig zu erscheinen: Der Bonner Konsens, sich mit Klerus und Volkstümlern nicht anzulegen, bleibt unangetastet. Jan Feddersen

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