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Villa zwischen Politik und Kultur

Ein Jahr nach der Neueröffnung der Schwartzschen Villa in Steglitz floriert der Kulturort, doch die CDU blockiert weiterhin das Kunstamt  ■ Von Christian Meseth

Susanne Riedel ist ganz in Weiß gekleidet, so wie das für Küchenpersonal üblich ist. Gerade schiebt sie ein schwarzes Fahrrad quer durch das Café hinaus auf die Terrasse. Die gehörgeschädigte junge Frau arbeitet in der Küche des Cafés in der Schwartzschen Villa, die Ende des letzten Jahrhunderts als Altersruhesitz des Kaufmanns Carl Schwartz errichtet wurde. Das Haus direkt am Steglitzer Kreisel wurde vor einem Jahr eröffnet.

Das schwarze Fahrrad gehört Karin Michaelsen. Sie leitet das zu den Mosaik-Behindertenwerkstätten gehörende Café. Rund zehn „geistig, körperlich und seelisch Behinderte“, so Frau Michaelsen, arbeiten in mehreren Schichten in der kleinen Küche, am Tresen oder auch als Bedienung. Das nach Tarif bezahlte Caféteam leiste nun nach „hartem Training“ und einem nicht immer einfachen Beginn „hervoragende Arbeit“, meint die Betreuerin.

Der Umgang der behinderten und nichtbehinderten Mitarbeiter im Café ist familiär. Von Susanne lernen die anderen Gebärdensprache. Detlef Saß, der sich als eine Art Hausmeister versteht und sich nach der Arbeit auch mal gerne mit Gästen im Café unterhält, sagt, er fühle sich „hier zu Hause“.

Weiter oben im Dachgeschoß, wo Doris Fürstenberg ihr Büro hat, ist die Stimmung ein Jahr nach der Eröffung der Schwartzschen Villa als Kulturhaus nicht ganz so ungetrübt wie unten im Café, auch wenn man stolz ist auf das Haus, das in der Nachkriegszeit lange ungenutzt vor sich hindämmerte und mehr und mehr verfiel.

Anfang der achtziger Jahre gründete sich die Bürgerinitative „Trägerverein Schwartzsche Villa“, die sich dem grün-linken Spektrum zugehörig fühlte, und sich für die Nutzung der Villa als Kulturzentrum einsetzte. Das bürgerliche Lager wollte nicht hintanstehen und gründete einen „Förderverein Schwartzsche Villa“.

Pläne, das dem Land gehörende Haus in freie Trägerschaft zu überführen, erwiesen sich als nicht durchführbar. Mitte der Achtziger setzte sich der bis heute amtierende sozialdemokratische Stadtrat für Volksbildung, Thomas Härtel, für ein Kulturhaus in der Villa ein. Es vergingen weitere Jahre, bis endlich der Finanzsenat die Umbaukosten in Höhe von rund 10 Millionen Mark übernahm und die fast vierjährigen Bauarbeiten beginnen konnten.

Die Schwartzsche Villa beherbergt nun eine Theaterbühne, eine Galerie, Proberäume, ein Fotolabor, ein Atelier und das Café. Mehr als 200 Nutzungsverträge wurden im ersten Jahr mit freien Gruppen abgeschlossen. Konzerte, Austellungen, Chansonabende sind meist gut besucht. Das Kulturamt jedoch konnte die vorgesehenen Räume im Dachgeschoß nie beziehen.

Der Mehrheit von CDU und FDP im Bezirksparlament war das Kulturamt mit seiner grünen Leiterin Sabine Weißler noch nie ganz grün. Bundesweit durch die Gazetten ging etwa die Auseinandersetzung zwischen der BVV-Mehrheit und dem Kulturamt um die „Spiegelwand“ zum Gedenken an deportierte und ermordete jüdische Berliner. Die gleiche BVV- Mehrheit setzte auch durch, daß die für das Kulturamt vorgesehenen Räume freien Gruppen als Tagungs- und Büroraum zur Verfügung gestellt wurde.

Doris Fürstenberg, zuständig für die „dezentrale Kulturarbeit“ mit freien Gruppen, ist die einzige festangestellte Mitarbeiterin, die in der Schwartzschen Villa im Dachgeschoß ihr Büro hat. Sie fühlt sich als „Spielball der Bezirkspolitiker“ und meint, man habe sie gegen die anderen Mitarbeiter im Kulturamt ausgespielt. Der von CDU und FDP durchgesetzte Raum für freie Gruppen wurde im letzten Jahr – im Gegensatz zu den anderen Angeboten im Haus – nur von einer Gruppe „sehr sporadisch“ genutzt.

Karin Michaelsen jedenfalls ist froh, daß ihr Café und die Behinderten mit diesen Querelen nichts zu tun haben – sie sind nur Pächter in der Villa.

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