Die Türkei zieht eine neue Grenze

■ Die Regierung in Ankara will im Nordirak eine militärisch abgesicherte Pufferzone einrichten. Kurdenführer Barzani und die USA haben nichts dagegen

Istanbul (taz) – Die Türkei plant einen militärischen Einmarsch in den Nordirak, um dort eine Pufferzone einzurichten. Sowohl die Truppenbewegungen in Richtung irakische Grenze, als auch die Aktivität von Kriegsflugzeugen in der Grenzregion verweist auf den bevorstehenden Einmarsch. Indirekt haben auch die türkischen Spitzenpolitiker zugestanden, daß die Einrichtung einer „Sicherheitszone“ im Nordirak unmittelbar bevorstehe. „Die neuen Grenzen sind gezogen“, lautete gestern die Schlagzeile der Tageszeitung Milliyet.

Darauf angesprochen, ob die Einrichtung einer „Sicherheitszone“ bevorstehe, sprach die türkische Außenministerin Tansu Çiller von einem „faktischen Zustand“. Der Türkei lägen Erkenntnisse vor, daß die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) von irakischem Territorium aus in die Türkei eindringen wolle. „Wir werden dies nicht zulassen und die erforderlichen Maßnahmen ergreifen“, so Çiller.

Unterdessen bestätigte der türkische Justizminister Sevket Kazan, daß Ministerpräsident Necmettin Erbakan den irakischen Botschafter empfangen und über die Absichten der Türkei informiert habe. In der Nacht zum Freitag hatte die irakische Führung in Bagdad gegen die Einrichtung einer Pufferzone protestiert.

Die autonome Kurdenregion im Nordirak ist der Türkei seit dem Golfkrieg ein Dorn im Auge. Neben den dort dominierenden politischen Kräften – der „Demokratischen Partei Kurdistans“ unter Führung von Masud Barzani und der „Patriotischen Union Kurdistans“ Dschalal Talabanis – gewann seit dem Ende des Golfkrieges die PKK an Einfluß. Auch der ständige Streit zwischen Barzani und Talabani nützte der PKK, die in der Regel auf seiten Talabanis an den kurdisch-kurdischen Kämpfen teilnahm.

Die irakisch-türkische Grenze, die quer durch kurdisches Bergland verläuft, ist militärisch nicht kontrollierbar. So läuft auch der Plan der türkischen Militärstrategen darauf hinaus, im Nachbarland eine fünf bis zwanzig Kilometer breite menschenleere Pufferzone einzurichten. Die Grenze der Pufferzone zum Irak läge somit nicht mehr in den Bergen, sondern in der militärisch leichter kontrollierbaren Ebene.

Die Türkei ist bereits mehrfach in den Nordirak einmarschiert, um gegen PKK-Stellungen vorzugehen. Offensichtlich will Ankara nun von den chaotischen Zuständen nach der Kooperation Barzanis mit Saddam Hussein, den darauffolgenden US-Angriffen und dem derzeit tobenden kurdisch- kurdischen Kampf profitieren, um die schon lange angestrebte Pufferzone einzurichten. Dabei hat sich die türkische Regierung offenbar die Einwilligung von Barzani einheholt. „Wir können nicht zulassen, daß unser Territorium als Stützpunkt gegen unsere Nachbarn mißbraucht wird“ sagte Safin Dizayee, der Vertreter Barzanis in Ankara. Auch die USA scheinen der Türkei grünes Licht zur Einrichtung einer Pufferzone zu geben. Ein Sprecher des Außenministeriums in Washington sagte am Donnerstag, die USA seien informiert worden und hätten zu diesem Zeitpunkt keine Bedenken zu dem zeitlich begrenzten Plan, wie ihn die Türkei vorgebracht habe.

Der Führer der PKK, Abdullah Öçalan, hat unterdessen seine Guerilleros in Alarmbereitschaft versetzt. „Ich rufe unser Volk und alle patriotischen Kräfte auf, Schulter an Schulter zu kämpfen“, hieß es in einer schriftlichen Presserklärung. Ömer Erzeren