: Rumlungern erwünscht
■ Das Kaufhaus Go Bäng verübt Anschläge auf die Taschengeldbörsen der Jugendlichen. Trotzdem strömen die Kids scharenweise ins neue Mekka
Hier gibt es alles, was Teenagerbörsen aufschnappen läßt: Trading Cards, Kapuzenpullis, Haartönung und Wasserpfeifen. In den drei Etagen des selbsttitulierten „Szene-Kaufhauses“ Go Bäng in der Katharinenstraße gibt es auf 650 Quadratmetern für Teenager auch das, was der etablierten Warenhaus-Konkurrenz fehlt: Lebensgefühl.
Acht verschiedene Einzelhändler haben unter einem Dach das perfekte Kiddie-Einkaufsparadies geschaffen, um an die vielen Millionen Mark Taschengeld ranzukommen, die in Deutschland Jahr für Jahr gezahlt werden. Anfang der Achtziger versuchten Kaufhäuser wie Karstadt, mit Fachabteilungen wie „Follow me“ jugendorientierte Konsumzonen zu schaffen - mit mäßigen Erfolg. Den hat dafür seit 1994 Go Bäng. Das Kiddie-Kaufhaus hat nämlich den Kultfaktor. Das Herzstück von Go Bäng ist der T-Shirt-, Poster- und Kartenhandel der Gebrüder Oliver und Timo von Raven. Dazu die Plattenläden „Zoff“ und „DJ's“, ein Comic-Shop, ein Sprayer-Laden, Sport- und Second-Hand-Mode und ein Head-Shop - fertig ist das kultverdächtige Einkaufsparadies.
Kultfaktor Eins: Die England-Connection. Die sichert den Gebrüdern den Infovorsprung. „Wir kriegen das schon mit, wenn ein Film, ich sag mal „Pulp Fiction“, ein Thema wird. Die Engländer sind da schneller als die Deutschen.“ Was dort läuft, wird irgendwann auch hier ein Knaller. Also ordern die von Ravens Kultverdächtiges auf Vorrat. Deshalb gab es ein Jahr, bevor die Serie in Deutschland über den Bildschirm ging, hier schon die „Twin Peaks“ Filmposter.
Zweiter Kultfaktor: Bei den anderen Go Bäng-Abteilungen, die formal selbständige Untermieter der Gebrüder sind, gibt es Dinge wie Haschpfeifen, Gewaltvideos oder Schmuddelcomics. Und was Eltern hassen, lieben die Kids. Auch deshalb wird ab heute jeden Mittwoch bei Go Bäng gepierct. Timo: „Es gibt schon Eltern, die ihren Kindern verbieten, hierher zu kommen. Das ist natürlich eine wahnsinnige Werbung.“ Dabei kann Timo die Eltern sogar ein Stück weit verstehen. „Ich bin schon geschockt, wenn da Dreizehnjährige bei Udopea die Wasserpfeifen anschwärmen und denke mir: „Damit hast du aber später angefangen.“
Kultfaktor Drei: Der persönliche Geschmack der Macher entscheidet. Damit ist man näher an den Idolen der Kids als die Erwachsenen-Konkurrenz. Statt schnarchiger Fußballvereine werden im Sportshop Detlef Schrempfs Basketballteam „Seattle Supersonics“ oder ihre Konkurrenten aus Chicago, die Bulls, als Idole verehrt. Timo: „Du hängst eben in die Deko, was dir gefällt. Da hängt eher ein Reservoir Dogs Poster als die Kelly Family.“ Das hat mit wirtschaftlichem Sinn oft nichts mehr zu tun, weiß Oliver, aber: „Ich habe einfach mehr Bock auf Antifa-Sachen als auf Böhse Onkelz T-Shirts.“
Kultfaktor Vier: Das Chaosambiente. Oliver von Raven: „Ich kann nicht mal mein Zimmer richtig einrichten. Also haben wir einfach alles reingestellt, wie es paßte. Die Unordnung ist Programm.“ Auch die MTV-mäßige Sprache gehört zum Kiddie-Biotop. Alle werden geduzt. Und nicht nur der Name klingt bei Go Bäng englisch: „Da Corner“, der Sprühdosen-Fachhandel für den Grafitti-Künstler, treibt die Anglizismen auf die Spitze. „40 Cans im Display + 40 Caps für 250 DM“ verkündet ein Schild. Nein, Dollars nehmen sie aber nicht, meint der Farbverkäufer.
Dafür aber ist das Kiddie-Kaufhaus für Leute wie Jana, 15, mehr als nur eine Möglichkeit, Taschengeld gegen Ware zu tauschen. „Manche Jugendliche verabreden sich hier regelrecht“, weiß Comic-Verkäuferin Viviane. Ergo Kultfaktor Nummer Fünf: Bei DJ's oder in Jan's Plattenladen, die sich das Kellergeschoß teilen, wird man nicht schief angeguckt, wenn man einfach nur ein paar Scheiben durchhört. „Die Kids sollen sich auch auf die Treppe setzen können und eine rauchen, ohne daß sie weggejagt werden“, erklärt Timo. Das Rumlungern zu fördern, ist durchaus im Sinne der Erfinder. Timo: „Es ist schließlich ganz schön geil, wenn du hörst, daß Kids erzählen, meine Freundin habe ich bei Go Bäng kennengelernt.'“
Natürlich geht es letztenendes immer um das Geld der Teenies, auch wenn Timo den Ausdruck „Kunden“ schrecklich findet. Die Kids werden nicht hofiert, aber für voll genommen. Und sowas findet Jana cool. „Jetzt müßten nur noch die Sachen umsonst sein.“ L.R.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen