: Freiheit für Unternehmer
500 Manager tagten in Berlin. Ihre Botschaft: Gelockerte Tarifverträge und weniger Abgaben sollen 3,7 Millionen neue Jobs bringen ■ Aus Berlin Barbara Dribbusch
Es war eine Stimmung wie bei der Bundesliga: Wolfram Baentsch, Chefredakteur des Wirtschaftsmagazins Impulse, trat spontan ans Pult und verkündete den 500 Managern: „Meine Damen und Herren. Ich darf Ihnen mitteilen, daß das Sparpaket soeben im Bundestag angenommen wurde!“ Tosender Beifall auf dem Unternehmerkongreß „Arbeit für Deutschland“ in Berlin. Die mittelständischen Manager waren auf Einladung des Wirtschaftsmagazins am Wochenende zusammengekommen, um über Wege aus der Flaute zu reden. Die Botschaft stand schon vorher fest: Weniger Abgaben, weniger Regularien, dann gibt's auch mehr Arbeitsplätze.
3,7 Millionen zusätzliche Stellen schüfen Unternehmer, wenn Arbeitszeitvorschriften, Tarifverträge, Lohnnebenkosten und andere Fesseln beseitigt oder gelockert würden. Dies errechneten Forsa-Meinungsforscher aus Aussagen von 1.464 Unternehmern, die im Auftrag der Kongreßveranstalter befragt wurden. „Wohlstand und Arbeitsplätze sind nur mit offensiven Strategien zu sichern“, folgerte Tyll Necker, Vize des Industrieverbandes BDI.
Wie diese offensiven Strategien aussehen könnten, dazu verweisen deutsche Unternehmer immer stärker auf ausländische Vorbilder. Neu und ganz oben auf der Hitliste: Neuseeland. Auf der Insel wurden der Wohlfahrtsstaat und die Staatsverschuldung durch rigide Reformgesetze abgebaut, gleichzeitig aber auch die Arbeitslosigkeit in vier Jahren fast halbiert.
Reformertraum Neuseeland
Die ehemalige konservative Finanzministerin Neuseelands, Ruth Richardson, predigt den 500 Mangern ihr Modell wie in einem Gottesdienst. Durch ein neues Reformgesetz zum Arbeitsrecht bekamen die Unternehmer „die Freiheit, zu heuern und zu feuern“, „die Freiheit, die Arbeitszeiten zu bestimmen“, „die Freiheit, die Bezahlung der Produktivität anzupassen“. „It can be done. Just do it!“ Stehende Ovationen. Der Preis der Reform wie die Entmachtung der Gewerkschaften und die sozialen Streichungen stehen nicht zur Debatte, auch nicht die Vergleichbarkeit Deutschlands mit einem 3,5 Millionen Einwohner starken Inselstaat.
Ebenso auf der Vergleichshitliste: die USA. Dort entstanden seit 1993 8,5 Millionen neue Arbeitsplätze. Die große Flexiblität der Amerikaner, aber auch der niedrige Mindestlohn begründeten diesen Erfolg, lobt Fred Irwin, Präsident des American Chamber of Commerce in Deutschland. „Die Amerikaner sind stolz darauf, zu arbeiten und dafür bezahlt zu werden, und nicht darauf, bezahlt zu werden, ohne dafür zu arbeiten.“ Beifall. Das Standortproblem, nur eine moralische Frage?
Eine Frage der Kundenorientierung – beschwört der japanische Unternehmensberater Minoru Tominaga: „Der Kunde ist Gott!“ In Deutschland, da werde im Hotel morgens die Zeitung auf den Boden vor die Tür geknallt und der Gast im Frühstücksraum abgewiesen, wenn er die dreistellige Zimmernummer vergessen habe. In Japan dagegen! Mit genauen Fragen nach Zeitungswünschen wird der Gast empfangen; sogar ein Polaroidfoto knipst die Hosteß. Am nächsten Morgen grüßt das Personal den Gast mit Namen, weil übers Foto identifiziert, und geleitet ihn zum Frühstücksplatz, den die eigens herbeigeschaffte ausländische Lieblingszeitung ziert. Aber die Deutschen sind flexibler als ihr Ruf – aus der Not geboren.
Flexibilität gegen Jobverlust
Bodo Finger beispielsweise, Geschäftsführer der Chemnitzer Zahnradfabrik mit 70 Mitarbeitern, bewegt sich mit seinem Entlohnungsmodell eigentlich „auf dem dünnen Eis der Illegalität“, so sagt er. Obwohl im Arbeitgeberverband, kürzte das Unternehmen Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie die tariflichen Leistungszulagen und gruppierte die Beschäftigten kurzerhand eine halbe Stufe tiefer ein.
Tarifliche Lohnsteigerungen von 20 Prozent in der vergangenen Jahren konnten so neutralisiert werden, erzählt Finger. Die gewerkschaftlich hochorganisierten Beschäftigten machten mit, auch die IG Metall sei informiert. „Wir hätten das Unternehmen und damit die Arbeitsplätze verloren, wenn wir nicht in unglaublicher Weise an den Verdienst der Leute herangegangen wären“, meint Finger freimütig.
Am Ende des Kongresses unterschreiben fast alle der 500 Manager ein sogenanntes „Berliner Manifest“ für mehr unternehmerische Handlungsfreiheit. Erste Forderung an Politiker und Gewerkschaften: Die Tarifverträge sollen sich nur noch auf Mindestkonditionen für Lohn und Arbeitszeit beschränken.
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