: Besser kein Weihnachtsgeld als arbeitslos
■ Der Bundestagsabgeordnete Hansjürgen Doss, Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU, verlangt weitere Einsparungen im sozialen Bereich
taz: Gesundheitsminister Seehofer hat erklärt, das jetzt verabschiedete Sparpaket sei nur ein Minimalprogramm. Es müsse noch viel mehr gespart werden. Sind Sie der gleichen Meinung?
Hansjürgen Doss: Unsere Bemühungen mit diesem Paket für mehr Wachstum und Beschäftigung lassen sich nicht auf das Sparen reduzieren! Wir müssen in Deutschland die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft verbessern. Andernfalls können wir auch keine neuen Arbeitsplätze schaffen. Das ist Sozialpolitik pur! Wenn wir das nicht hinkriegen, dann wird auch die gerechte Verteilung unseres Steueraufkommens darunter leiden. Die zwingende Frage lautet also: Wie können wir uns im internationalen Wettbewerb wieder stärker behaupten?
500 Unternehmer forderten am Wochenende, daß Tarifverträge künftig nur noch Mindeststandards enthalten sollten.
Das ist eine Facette. Die Wirtschaftslage in Konstanz ist eine andere als in Frankfurt (Oder). Deshalb sind einheitliche Tarifvereinbarungen, wie sie bisher getroffen wurden, nicht zukunftsfähig.
Das heißt, bei Weihnachts- oder Urlaubsgeld sollte man sich nur noch an der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens orientieren?
So ist es. Wenn ein Betrieb kein Weihnachtsgeld zahlen kann, dann wird ein Arbeitnehmer doch eher seinen Arbeitsplatz erhalten wollen als ihn durch eine Leistung, die nicht finanzierbar ist, gefährden.
Soll auch bei Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe gekürzt werden?
Im Regelfall erhält eine vierköpfige Familie vom Sozialamt rund 2.800 Mark. Wenn man bedenkt, daß ein Industriearbeiter brutto rund 3.800 Mark verdient, kommt man doch ins Grübeln. Da muß man sich doch die Frage stellen, ob wir uns diese ganzen sozialen Transferleistungen tatsächlich leisten können. Denn es gibt ja auch Arbeit: Gehen Sie mal in die Weinberge bei uns in Rheinland- Pfalz. Da treffen Sie nette, freundliche Polen, aber keinen einzigen Deutschen. Sind denn die Steuergelder dafür da, daß irgendwelche Leute nicht arbeiten?
Woran denken Sie konkret?
Über Einzelmaßnahmen zu reden hieße doch nur, sich im Grundsatz zu verfranzen. Die Summe aller sozialen Transferleistungen gehört auf den Prüfstand.
Soll die Arbeitslosenhilfe auf zwei Jahre befristet werden?
Ja, ja, da gibt's viele Beispiele. Aber die wichtigste Frage lautet doch: Was können wir uns am Ende noch leisten? Wir können uns ununterbrochen einreden, wie sensibel wir an all diese sozialen Leistungen herangehen müssen. Wenn unsere Produkte am Ende nicht mehr in Deutschland, sondern anderswo hergestellt werden und dadurch Arbeitsplätze und Betriebe verlorengehen, dann holt uns doch die Realität ein. Welche Alternative bleibt uns dann?
In den USA wurde ein Gesetz verabschiedet, wonach jeder nur noch fünf Jahre in seinem Leben Anspruch auf Sozialhilfe hat.
Ich war gerade in Arizona im Urlaub und habe Clinton live erlebt. Der sagte: Soziale Transferleistungen sind bei uns nicht eine zweite Form von Lebensunterhalt, sondern sie sind dazu da, jemandem eine zweite Chance zu geben. Das ist ein toller Gedanke, über den nachzudenken sich lohnt. Interview: Kathrin Lohmann
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