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Ämter laufen wie geschmiert

■ Korruption in Hamburg: Harte Strafen für arme Würstchen, Milde für Beamte und Firmen

usländer, davon ist Staatsanwalt Hans-Ulrich Tiburg überzeugt, „haben ein nicht sehr ausgeprägtes Unrechtsbewußtsein“, schließlich „braucht man nur mal ein Stück Richtung Osten zu fahren“. Also muß es ihnen eingebleut werden, und zwar mit der vollen Wucht des Gesetzes: Gulam D. muß für ein Jahr und sechs Monate ins Gefängnis, weil er 1994 einen deutschen Beamten dazu veranlaßt hat, falsche Pässe auszustellen – und weil das Hamburgische Amtsgericht anhand seiner Person generalpräventiv AusländerInnen beibringen will, die deutsche Bürokratie zu respektieren. Auch damit begründete Amtsrichterin Ebert gestern die überraschend hohe Strafe.

Die Mühlen der hamburgischen Ausländerbehörde zu würdigen, hatte der Beamte Bernd F. dem Mann aus Afghanistan wahrlich nicht einfach gemacht. Erfrischend offen plauderte er gestern aus seinem abwechslungsreichen Dienstalltag: Zwar habe er D. zu bedenken gegeben, daß er „in Teufels Küche“ käme, würde er falsche Pässe ausstellen. Dann tat er es aber doch. Weniger Bedenken hatte er offenbar in den Jahren zuvor gehabt, wenn AusländerInnen bei ihm die Einbürgerung beantragten. Bei der Gelegenheit versuchte Bernd F., ihnen eine Lebensversicherung schmackhaft zu machen. 25 Prozent Provision kassierte er von der „Berlinersche Leben“ dafür. Auch die Bearbeitung der Anträge behandelte der Behördenbedienstete als Privatgeschäft: Zwischen 1991 und 1995, auch das gab Bernd F. zu, wirtschaftete er mit erhöhten Bearbeitungsgebühren satte 313.000 Mark. in die eigene Tasche.

Auch D. hatte er wie einen Kunden behandelt, als er sich einbürgern ließ – Wochen, bevor er die falschen Pässe beantragte. Statt der üblichen 500 Mark kassierte Bernd F. 3.304 Mark bei ihm ab. D. hielt das noch für legal. Stutzig wurde er allerdings, als der Einbürgerungsantrag seiner Familie auf dem Schreibtisch von Bernd F. lag und der plötzlich 3.000 Mark von ihm geliehen haben wollte. Das wollte D. aber nicht, wie er dem Gericht versicherte. Erst als ihn ein Bekannter aus Pakistan bat, Bernd F. nach falschen Reisepässen zu fragen, erhoffte er sich, daß die Familieneinbürgerung schneller vonstatten gehen könne, würde er F. statt der 3.000 Mark zumindest dieses Geschäft anbieten.

Auch F. hielt das für eine gute Idee: Vier Pässe bekam Gulam D., 2.300 Mark wanderten ins Portemonnaie von Bernd F. Ob auch deutschen Beamten ihre Schranken per Strafgesetz aufgezeigt werden, muß sich im noch ausstehenden Prozeß gegen den Beamten Bernd F. erst noch zeigen. Gulam D. sitzt seit Juli in Untersuchungshaft. Bernd F. nicht. Elke Spanner

aufen Hamburgs Behörden wie geschmiert? MitarbeiterInnen im Dienste der Stadt könne man nicht „pauschal diffamieren“, nahm Justizsenator Wolfgang Hoffmann-Riem (parteilos) gestern Stellung zu der Senatsdrucksache Korruption im öffentlichen Dienst. „Die Korruptionsdichte ist keineswegs gigantisch.“ Doch die im vorigen Jahr registrierten 262 Verdachtsfälle, von denen etwa zehn Prozent mit Verurteilung endeten, beschreiben nur das „Hellfeld“ der bestechenden Wirklichkeit. Wie oft Geldscheine den Impuls für die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung geben oder wie häufig mehr Kaimauer abgerechnet als gebaut wird, weiß niemand. Die Dunkelziffer ist mangels anzeigender Opfer sehr hoch.

Zu den besonders „korruptionsgeneigten Bereichen“ zählen die Ausländerbehörde und öffentliche Bauvorhaben. Außer auf „Sensibilisierung“ und „konsequente Sanktionierung“ setzt Hoffmann-Riem auch auf „korruptionsrestistente Verwaltungsabläufe“. Doch mehr Kontrolle steht im Gegensatz zur Verschlankung der Verwaltung.

Hamburg werde „alles tun“, so der Justizsenator, damit „die öffentliche Hand nicht zur offenen Hand“ wird. Die öffentliche Meinung dürfe sich jedoch nicht nur „auf den Bösebub Staat“ konzentrieren. „In Feigheit vor dem Wettbewerb“ kämen die Angebote meistens von privaten Firmen, vor allem Bauunternehmen. Die haben, sofern sie erwischt werden, allerdings wenig zu befürchten. Derzeit werden sie noch nicht einmal zwingend von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen, wie es etwa bei illegaler Beschäftigung (mit mäßigem Erfolg) der Fall ist.

Hoffmann-Riem schwebt deshalb eine neue Hamburger Verwaltungsvorschrift und ein bundesweites Register bestechlicher Firmen.

Silke Mertins

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