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Bundesrat zieht ins Berliner Preußische Herrenhaus

■ Nur Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland stimmen gegen Umzug nach Berlin. Kritik am Arbeitsförderungsgesetz und am Haushaltsentwurf 1997

Bonn (AFP/AP/taz) – Etwa zeitgleich mit dem 1999 geplanten Umzug von Bundesregierung und Bundestag nach Berlin wird auch der Bundesrat seinen Sitz in die Hauptstadt verlegen. Einem entsprechenden Antrag der Länder Bayern und Bremen schlossen sich gestern im Bundesrat in Bonn mit Ausnahme von Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland alle übrigen Länder an. Die Länderkammer wird voraussichtlich in das Preußische Herrenhaus in der Nähe des Brandenburger Tors ziehen.

Damit ist Nordrhein-Westfalen mit dem Versuch gescheitert, Bonn vorläufig als Sitz des Bundesrats festzuschreiben. In einer betont sachlichen Debatte hatte NRW-Ministerpräsident Johannes Rau (SPD) empfohlen, zunächst Erfahrungen mit dem Umzug von Bundestag und Bundesministerien abzuwarten. Berlins Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) hatte dagegen hervorgehoben, es sei „praktisch und vernünftig, wenn die Bundesorgane zeitgleich am selben Ort tagen“. Bonns Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann (SPD) schalt die Entscheidung des Bundesrats als „schwerwiegenden Vertrauensbruch“.

Mit der Mehrheit der SPD-geführten Länder hat der Bundesrat gestern außerdem das neue Arbeitsförderungsgesetz abgelehnt. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sei ein „kontraproduktives Kürzungsgesetz ohne arbeitsmarktpolitisches Reformkonzept“, heißt es in der Stellungnahme des Bundesrats. In Ostdeutschland seien in Verbindung mit den geplanten ABM-Kürzungen dramatische Folgen zu befürchten. Der Gesetzentwurf sieht unter anderem die Verpflichtung für Arbeitslose vor, die aktive Suche nach einer neuen Beschäftigung nachzuweisen. Auch wird der Kreis der „zumutbaren“ Beschäftigungen erweitert, die der Arbeitslose auf Vermittlung des Arbeitsamtes annehmen muß.

Die brandenburgische Arbeitsministerin Regine Hildebrandt (SPD) kritisierte, der Gesetzentwurf gebe „keine Antwort auf die Strukturprobleme in den neuen Bundesländern“. Ein nennenswerter Beitrag zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit sei davon nicht zu erwarten.

Kritisch hat sich der Bundesrat auch gegenüber dem Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 1997 geäußert. Weder im Etatentwurf noch in der mittelfristigen Finanzplanung bis zum Jahr 2000 seien Ansätze für eine wirksame Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu erkennen. Ministerpräsident Oskar Lafontaine (SPD) kritisierte vor allem Kürzungen bei der Arbeitsförderung in den neuen Ländern.

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