: Terroristencode geknackt
Erfolg bei den Ermittlungen zum Bombendrohbrief von österreichischen Rechtsextremisten. Manifest enthält Bekenntnis zum Anschlag auf Roma in Oberwart vom Februar 1995 ■ Aus Wien Ralf Leonhard
„Der Entschlüsselungsaufwand wurde von unserem Fachmann so bemessen, daß die eingedrungenen Ausbeuter und Völkermörder ohne Hilfe der NSA nicht mehr zeitgerecht vor den Herbstwahlen an die kodierte Wahlkampfmunition herankommen.“ Mit diesem Hinweis auf die Komplexität ihrer chiffrierten Botschaft haben sich die rechtsextremen Briefbombenbastler der sogenannten „Bajuwarischen Befreiungsarmee“ (BBA) offenbar selbst überschätzt. Dienstag nachmittag erklärte Innenminister Caspar Einem in einer Pressekonferenz, daß der Code geknackt sei. Das sechsseitige Manifest, das letzte Woche beim Nachrichtenmagazin Profil einging, enthalte jedoch nicht die angekündigte „Munition“ für die Wiener Gemeinderatswahlen und Österreichs erste Europawahlen am 13. Oktober.
Im unkodierten Teil des Schreibens wurden acht Personen, darunter „Slawenhäuptling und Germanenfresser“ Franz Vranitzky, mit Bombenattentaten bedroht. Gleichzeitig gaben die Verfasser selbst den Tip, die verschlüsselte Botschaft „zum Zigeunerabkömmling Clinton“ zu bringen, um es von der National Security Agency (NSA), dem in der Öffentlichkeit wenig bekannten Geheimdienst des Pentagons, knacken zu lassen. Das Kernstück des Codes, eine aus der Multiplikation zweier Primzahlen gewonnene Zahl von 243 Stellen, verrät, daß die oder der Briefschreiber über erhebliche mathematische Kenntnisse verfügen. Selbst der schnellste Computer würde zum Entschlüsseln unter normalen Umständen mehrere tausend Jahre brauchen. Trotzdem gelang es der NSA und den österreichischen Profischnüfflern der Einsatzgruppe zur Bekämpfung des Terrorismus in Zusammenarbeit mit dem Heeresnachrichtenamt das Manifest in Reinschrift zu übersetzen. Das Ergebnis: wissenschaftlich überholte historische Erkenntnisse über die Illyrer, die lange vor den Römern und Germanen im Gebiet des heutigen Österreich heimisch waren und Beschimpfungen von Politikern, Journalisten und anderen Persönlichkeiten. Diese wurden vom Innenministerium bereits gewarnt.
Als entscheidend wird das Bekenntnis der Neonazigruppe zum Bombenattentat im burgenländischen Oberwart betrachtet, wo im Februar 1995 vier Roma getötet wurden. Über die Gruppe, die seit Dezember 1993 mit insgesamt 24 Briefbomben vier Menschen ermordet und weitere 12 verletzt hat, ist wenig bekannt. Ermittlungen konzentrieren sich auf die Gemeinde Weisskirchen in der Steiermark. Dort wurde der Brief an Profil eingeworfen. Bei Weisskirchen liegt die Burg Eppenstein, vor 1000 Jahren Sitz des Bajuwarenfürsten Markwart III. Doch weder aus der international einmaligen Bauweise der Briefbomben noch aus den anderen Hinweisen ergeben sich brauchbare Spuren, die zu den Tätern führen.
Daß die Organisation der extremen Rechten zuzuordnen ist, steht für die Behörden außer Zweifel. Nicht nur der Jargon, sondern auch das in den Schreiben demonstrierte Insiderwissen lassen keine andere Interpretation zu: Sie attackieren Ausländer mit rassistischen Parolen, lästern über Kroaten und lassen sich mit Vorliebe über die bajuwarische Besiedlung aus, von der sie ihr „deutschösterreichisches Selbstverständnis“ ableiten. Zwar sympathisieren sie mit dem Rechtspopulisten Jörg Haider, kritisieren ihn aber, weil er „sich einbildet, daß man unsere gefestigte Kanaken-Diktatur mit demokratischen, zumindest aber mit gewaltfreien Mitteln zu Fall bringen kann“.
Das Innenministerium gab letzte Woche bereits Anweisungen, wie man Briefbomben erkenne und wie man sich im Alarmfall zu verhalten habe. Bundeskanzler Vranitzky erhielt Sonderschutz. Für die „Bajuwarische Befreiungsarmee“ muß der Alarmzustand, in den sie die Republik versetzt hat, eine größere Genugtuung sein als der Terror, den eine tatsächliche Bombe ausgelöst hätte. Die rasche Entschlüsselung ihrer wirren Botschaft dürfte dem „Triumph der Herrenmenschen“ aber einen Dämpfer versetzt haben. Der Spannungseffekt ist fünf Tage vor den Wahlen verpufft.
Der Inhalt des Manifests, der jetzt vom Innenministerium im Detail analysiert wird, läßt keine Rückschlüsse auf die Identität der Autoren zu. Innenminister Caspar Einem sagte, daß es verfrüht sei, „sich über das Knacken einer Denksportaufgabe eines Wahnsinnigen zu freuen“.
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