: Keine Macht für Kleyboldt
■ Heute abend rockt die ehemalige Neonaziband Böhse Onkelz in der Stadthalle / Der Hallenchef Klaus Kleyboldt nimmt's hin: „Man kann sich nicht alles aussuchen.“
Wenn in diesem Jahr die Böhsen Onkelz in der Hansestadt rocken, ist das fast schon Routine. Nach einer tiefbraunen Vergangenheit als Hetz- und Partyband für Neonazis waren nur ein paar lauwarme Distanzierungen nötig, bis die ehemalige Naziband vor zwei Jahren mit DGB- und Behörden-Segen sowie der Hilfe von Radio-Bremen-Moderator Frank Hinz offiziell in Bremen gegen Rechts rocken durfte. Von da an waren die Frankfurter im Musikgeschäft wieder hoffähig.
Dabei lassen Textzeilen wie „Mit scheinheiligen Liedern erobern wir die Welt“ oder „Ich erinnere mich gerne an die Zeit, eine Zeit, die man nie vergißt“ zweifeln, ob die braune Vergangenheit wirklich aufgearbeitet oder nicht vielleicht nur aus Geschäftsgründen unter den Teppich gekehrt wurde. Plattengroßhändler wie WOM, die Onkelz-Platten nicht im Sortiment führen, sind heute die Ausnahme. Leider, denn nach wie vor weigert sich die Combo um Frontmann Stefan Weidner, ihren lukrativen Bandnamen abzulegen und ihre noch immer einträglichen alten Naziplatten einzustampfen, um einen glaubwürdigen Strich unter ihre Vergangenheit zu ziehen. Statt dessen zeigen die Onkelz, wie sich mit Tote-Hosen-Rock, rechtsradikalem Kultruf und pseudo-rebellischen Anti-Establishment-Sprüchen gegen die politische Korrektheit Geld machen läßt, ohne alte Kameraden vor den Kopf zu stoßen. In Bremen füllten die Onkelz im letzten Jahr die Stadthalle, wo sie am heutigen Freitag erneut auftreten.
Die taz sprach deswegen mit Klaus Kleyboldt, dem ehemaligen Chef der Essener Grugahalle, der seit zwei Jahren das Messe- und Veranstaltungszentrum Stadthalle leitet.
taz: Die Onkelz rocken nun zum zweiten Mal bei Ihnen. Mögen Sie die so gerne?
Klaus Kleyboldt: Ich muß sagen, ich kenne die nur vom Namen und weiß, daß die lange wegen rechtsradikaler Äußerungen auf dem Index waren. Soviel ich weiß, haben die sich aber geändert. Außerdem haben die ja schon vor meiner Zeit in Bremen gespielt. Das ist nicht meine Musik, und die Geschichte gefällt mir nicht, aber es geht nicht um meinen Geschmack. Es gibt wenig Möglichkeiten, so etwas zu verhindern.
Sie können als Stadthallenleiter nicht sagen, daß Sie einen Künstler nicht wollen?
Ich kann versuchen, Theater zu machen, aber das ist für die doch nur Werbung, wenn sie den Auftritt per Gericht durchsetzen. Vor meiner Zeit hatte es doch auch den Republikaner-Parteitag gegeben, den mein Vorgänger nicht wollte. In dem Fall ist das so gelaufen. Wenn also ein Veranstalter nach einem Termin für ein Rockkonzert fragt, kann ich nicht ohne Grund „Nein“ sagen.
Daß man vorher nicht das genaue Programm kennt, ist übrigens branchenüblich, weil viele Rockveranstalter sehr vage Paket-Angebote machen oder einfach nur einen Termin besetzen wollen, damit ihn ein Konkurrent nicht nutzen kann. Und im letzten Jahr ist das Konzert vernünftig gelaufen, es ist alles ruhig geblieben.
Woher wissen Sie das? Schauen Sie selber rein?
Nicht, wenn es so laut ist, daß ein Besuch für unsere Mitarbeiter gesundheitsschädigend sein könnte. Aber bei solchen Konzerten sind doch laufend Behördenvertreter da in Sachen Jugendschutz, Drogenfahndung oder Lebensmittelprüfung. Ich erwarte keine Probleme. Man kann sich ein Programm nicht immer aussuchen.
Muß man aber alles machen, nur weil es Geld bringt?
Wenn ein Veranstalter die Tournee einer Gruppe organisieren will, gegen die nichts vorliegt, dann müssen wir das tatsächlich machen. Die Halle ist für die Öffentlichkeit offen. Wir sind verpflichtet, sie zur Verfügung zu stellen, weil wir ein Haus sind, das mit öffentlichen Mitteln subventioniert wird. Mit unserer Größe sind wir schließlich Monopolist, da kann man nicht auf andere Orte ausweichen.
Hätten Sie lieber behördliche Richtlinien, die Ihnen erlauben, umstrittene Rockgruppen draußen zu lassen?
Nein. Im Rockbereich gibt es nicht allzuviel vergleichbaren Unsinn. Und ich will nicht entscheiden, was sein darf und was nicht. Das ist etwas anderes als bei politischen Veranstaltungen, also wenn eine nicht zugelassene rechte Partei oder die PKK kommen. Solche Leute versuchen dann, ganz vage „kulturelle Veranstaltungen“ anzumelden. Das erkennt man nach 29 Jahren Berufserfahrung. Da kann ich schon im Vorfeld eingreifen. Aber bei bloß umstrittenen Kulturereignissen, die mir nicht passen, kann ich nur hoffen, daß der Terminplan schon voll ist.
Fragen: Lars Reppesgaard
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen