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Wahnsinn, Alba im Kiez

Die Max-Schmeling-Halle in Prenzlauer Berg wird zum Publikumsmagnet. Basketball-Fans folgen den „Albatrossen“ auch in den Osten. Die Anfahrt zum Europaliga-Spiel endet stets im Stau  ■ Von Kathi Seefeld

Die Parklücke erwischte so ein Wuschelkopf diesseits der Dreißig. Offenkundig ein Fremder im Kiez, der zögerte, nachdem er ausgestiegen war. Sichtlich irritiert ließ er seine Blicke über die Fassaden der Gaudystraße schweifen und erst danach die Tür seines 3er BMWs ins Schloß gleiten. „Daß ich hier mal herkommen würde...“, murmelte er hörbar zu laut. Er sei „Installateur, Elektro, aus Charlottenburg“, wie er später erzählt.

Er ist auf dem Weg zu Alba, den „superbesten Basketballern von Berlin“. Das klang irgendwie nach sportlich schwerer Bildung. Jedenfalls wollte er „eigentlich schon lange mal diese tolle Max-Schmeling-Halle sehen“. „Schmeling. Der Boxer.“ Den kenne man im Osten doch vermutlich auch!? Ansonsten habe er „voll Glück“, weil er einen Parkplatz gefunden habe. „Fast wie zu Hause.“ Fast zwei Stunden vor Spielbeginn zwar, aber keine fünf Minuten Fußweg von der neuen Basketball-Arena entfernt.

Alba Berlin gegen den belgischen Meister Spirou Charleroi, Tausende strömten auch diesmal zu der Europaliga-Begegnung. Daß dazu wie schon gegen „Estudiantes Madrid“ mancher festverwurzelte Westberliner erstmals nach dem Mauerfall auch eine Begegnung mit dem Ostteil der Stadt auf sich genommen haben soll, ist ein Gerücht. Ein sehr hartnäckiges allerdings, wenn man Jürgen Kießling, Abteilungsleiter der Senatssportverwaltung, Glauben schenken darf. Deutlich sichtbar war hingegen, was passiert, wenn mehr als fünftausend oder gar achttausend Leute wie bei letzten Spiel Basketball im Kiez sehen wollen. Da scheint selbst im an Besucherboom gewöhnten, friedfertigen Prenzlauer Berg manches aus den Fugen zu geraten.

Ein lautes „Peng“, begleitet von einem noch lauteren „Scheiße“, markierte am Mittwoch die für die enge Gaudystraße gewöhnungsbedürftige Begegnung eines Daimlers mit einem Chevrolet. Und während sich, vom Hupkonzert begleitet, zwei Außenspiegel in der zugeparkten Straße verabschiedeten, übten sich im Schrittempo, Stoßstange an Stoßstange, weitere Fans beim Abbau von Frust. Schließlich fährt man nicht alle Tage im Konvoi in eine Sackgasse oder begegnet diversen Abschleppwagen, die wie Geier ihre künftige Beute umkreisen.

Die Sonnenburger Straße und grinsend aus dem Fenster blickende Anwohner vom Falkplatz ließen grüßen. So etwas passiere halt, wenn man eine solche Halle genau an der Stelle errichte, die am weitesten entfernt von allen öffentlichen Verkehrsmittelpunkten sei, bemerkte der PDS-Abgeordnete Michael Nelken, der auch in der Betroffenenvertretung aktiv ist.

Schon lange vor Inbetriebnahme der Max-Schmeling-Halle hatte die Bürgerinitiative nicht nur vor einem drohenden Verkehrskollaps gewarnt, sondern auch die „merkwürdige und außerordentlich schnelle Vergabe der Bauaufträge“ unter dem damaligen Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) moniert, die nach der gescheiterten Olympiabewerbung das Aus für die Halle verhindert hatte.

Die in Prenzlauer Berg allgegenwärtige Stadterneuerungsgesellschaft S.T.E.R.N. unterstützte die Betroffenen mit der Hochrechnung, daß die bestehenden Parkplätze in dem dichtbesiedelten Gebiet bereits ohne den Besucherverkehr eine 105prozentige Auslastung hätten. Und da sich die Kiezbewohner auch an diesem Nachmittag entschlossen zeigten, ihre Autos keinen Meter mehr zu bewegen, um nicht erst nach dem Basketball-Match wieder unbeschwert ein Plätzchen zu finden, appellierte der Veranstalter erneut, zum Europaliga-Spiel besser mit der U- oder Straßenbahn anzureisen.

Wenigstens war niemand gegen Alba. Vis à vis der Halle, in den „Gaststuben am Falkplatz“, beteuerte ein Nichtfan sprudelnd hinter seinem Pils: „Ick hab' ja keene Ahnung von Basketball, aba det is mir allemal anjenehmer, als ewig im eijenen Saft zu schmoren.“ Sein Kumpel unterdessen klagte, daß er nun wahrscheinlich noch viel länger auf sein Bier werde warten müssen. Fünfzig Meter weiter, um die Ecke bei der gastronomischen Konkurrenz „Zum Gleimtunnel“, merkt man vom Besucherandrang nichts. „Die fahren vor, gehn in die Halle, kommen raus und fahren wieder weg. Mit uns will keiner was zu tun haben“, klagte ein Stammkunde, der seine Biere wiederum sehr schnell bekommen hatte.

Alba-Manager Marco Baldi dagegen konnte zufrieden sein. Daß der Verein beim Umzug von der Sömmeringhalle nach Prenzlauer Berg einen Teil seiner Klientel langfristig verlieren werde, bereitete ihm bislang trotz gutbesuchter Sportarena immer noch Sorgen. Doch auch im Osten wachsen neue Fans heran. Baldi selbst rührt seit Wochen in Prenzlauer Berg die Werbetrommel. In freundlichen Briefen an die umliegenden Schulen bot er gute Nachbarschaft und gelegentlich Zusammenarbeit an.

Vereinspräsident Dieter Hauert versprach dem hiesigen Bürgermeister Reinhard Kraetzer (SPD), „daß Alba nicht nur spielen, sondern auch seine Geschäftsstelle von Charlottenburg nach Prenzlauer Berg verlegen wird.“ Kraetzer, von diesem Imagegewinn total begeistert, nutzte die Gunst der Stunde, schubste Boxidol Schmeling kurzerhand vom Sockel und sprach fürderhin nur noch von der „Alba-Halle“. Und jugendliche Sprayer, die aus seinem Munde erfahren durften, daß sie gerade im Begriff waren, die künftige Heimstatt der Berliner Basketball-Idole zu verschandeln, trollten sich daraufhin tatsächlich mit den Worten: „Das haben die Albatrosse wirklich nicht verdient.“

Die Sportler nicht, zumal sie gegen Spirou Charleroi richtig gut gewannen. Der Senat schon eher. Daß die Halle, „Europas größter umbauter Raum“, mehr als 200 Millionen Mark verschlungen hat, während in der Nachbarschaft heruntergekommene Schulräume oder Turnhallen wegen Geldmangels geschlossen werden müssen, ist schwerlich zu begreifen. „Die Halle ist wirklich schön, schön teuer“, bemerkte ein junger Mann aus der nahen Gleimstraße.

Weitere 3,8 Millionen Mark werden nach Aussage von Sportsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) jährlich für die Betriebskosten anfallen, und Konzepte für den künftigen Betrieb der Halle sind nicht erkennbar. Ob Messe GmbH, die Olympiasportstättenbauten GmbH (OSB) als bisheriger Bauherr und Interimsbetreiber oder das Konsortium um Veranstaltungsmanager Peter Schwenkow – subventionsfreie Nutzungsmodelle hat niemand parat. Lediglich OSB-Sprecher Ulrich Falke meinte, daß sich nach weiteren Events – Rockkonzerten, Boxkämpfen und den Weltmeisterschaften im Formationstanzen – bis zur förmlich feierlichen Eröffnung der Halle am 14. Dezember auch die Betreiberfrage klären könnte. Erst dann muß Alba Miete zahlen. Bis dahin wird zumindest Tag und Nacht weiter gebaut. Anwohner hätten bereits wegen des unzumutbaren Lärms Klage erhoben, heißt es. Wie toll es wohl ist, Installateur zu sein in Charlottenburg?

Siehe auch Bericht Seite 17

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