: Billige Alternative für das US-Militär
Das deutsche Plutonium könnte helfen, den Tritium-Bedarf der Bombensilos zu decken, bis die USA eine neue Quelle haben – das Bundesforschungsministerium ist auf dem laufenden ■ Von Reiner Metzger
Berlin (taz) – Deutsches Plutonium könnte helfen, die Atombomben von US-Navy, Army oder Air Force einsatzbereit zu halten: Gestern wurde bekannt, daß die Schnelle Brüter Kernkraftwerksgesellschaft (SBK) in Essen ihre Brennelemente mit Plutonium vielleicht los wird. Die SBK gehört mehrheitlich der RWE AG und sollte eigentlich den schnellen Brüter in Kalkar betreiben. Aber auch das Bundesforschungsministerium hat seinerzeit Milliarden in das Projekt gepumpt, ist nach eigenen Angaben aber nicht mehr Miteigentümerin der SBK. Über den Stand der Verhandlungen ist das Bundesministerium informiert. Die Verträge wurden aber noch nicht abgeschlossen, so gestern eine Sprecherin.
Laut Informationen von Greenpeace ist das Ministerium vor allem daran interessiert, den Bundesbunker in Hanau leerzubekommen. Dort liegen 123 der 205 Brennelemente.
Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) richtete einen offenen Brief an den obersten RWE-Chef Dietmar Kuhnt. Dieser soll unter anderem erklären, ob und wann Verhandlungen mit der in den Berichten erwähnten Abnehmerfirma in den USA, der Advanced Nuclear and Medical Systems (ANMS), geführt wurden. Zu klären sei auch, ob die Atomenergiebehörde in Wien informiert ist – schließlich können mit dem Plutonium theoretisch einige hundert Atombomben gebaut werden. Falls Kuhnt die Fragen nicht beantwortet, will Eduard Bernhard vom BBU das Thema zu einem zentralen Punkt auf der RWE-Hauptversammlung am 12. Dezember in der Essener Grugahalle machen.
Die USA brauchen das Plutonium nicht, davon haben sie selbst mehr als genug. Nach Spiegel-Informationen will die ANMS vielmehr mit Hilfe eines Reaktors auf dem Atomgelände in Hanford im Pazifik-Bundesstaat Washington Tritium erbrüten. Nach Ansicht des Kernphysikers Martin Kalinowski von den Abrüstungsforschern Ianus in Darmstadt macht das Sinn für die Militärs: „Die USA brauchen etwa 825 Gramm Tritium pro Jahr für ihre Sprengköpfe.“ Tritium aber zerfällt radioaktiv, die Halbwertszeit liegt bei 12,5 Jahren. Derzeit gibt es keine Anlage in den USA, die Tritium erzeugt, die Möglichkeiten für eine neue Anlage werden derzeit ausgelotet. Selbst das billigste Angebot liegt aber bei drei Milliarden Dollar. Allein die Studien kosten 50 Millionen pro Jahr. Da ist das Angebot der ANMS, für 100 Millionen im Jahr etwa 1,2 Kilogramm zu erzeugen, geradezu ein Dumpingangebot – auch wenn die Tritium-Vorräte noch bis 2008 reichen würden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen