: „Wir sind bedroht, verteidigen nur unsere Heimat, unseren Besitz“
■ Ein Sprecher der Banyamulenge im Exil, der anonym bleiben möchte, bestreitet, daß seine Leute die Hutu angegriffen haben
taz: Die Banyamulenge haben angeblich die Flüchtlingslager um Uvira angegriffen, die Straße zwischen Bukovu und Uvira blockiert. Was wollen die Banyamulenge? Führen sie einen Krieg gegen die Flüchtlinge?
Antwort: Wenn man eine Katze in die Enge treibt, wird sie zum Tiger. Wir sind bedroht und verteidigen unsere Heimat und unseren Besitz. Das Problem der Banyamulenge ist innerzairisch, wir führen keinen Krieg gegen die Flüchtlinge. Ich weiß nicht, welche Gruppen die Flüchtlingslager angreifen, aber sie mißbrauchen unseren Namen. Alles, was im Moment im Kivu passiert, wird den Banyamulenge in die Schuhe geschoben – weil wir Tutsi sind. Deshalb werden wir automatisch mit der ruandischen Regierung in Kigali in Verbindung gebracht. Wir haben die Straße blockiert, um zu verhindern, daß zairische Armee-Einheiten von Bukavu und Goma aus Nachschub leisten. Dies ist pure Verteidigung und hat nichts mit den Flüchtlingen zu tun.
Die zairische Regierung beschuldigt die Banyamulenge, daß sie von Ruanda und Burundi Unterstützung erhält.
Die zairische Regierung macht den Fehler, das Problem auszulagern, anstatt es innenpolitisch zu lösen. Wir haben das Recht auf eine Staatsbürgerschaft, wir haben das Recht auf Leben und das Recht auf unseren Boden. All das verweigert uns die zairische Regierung. Wir aber wollen uns nicht vertreiben lassen.
Und woher sind die Waffen?
Heute ist es ein leichtes, im Kivu Waffen zu bekommen. Dafür brauchen wir die Unterstützung von Kigali nicht. Über 40.000 Soldaten der ehemaligen ruandischen Armee sind da, und sie sind 1994 nicht mit leeren Händen gekommen. Der ruandische Präsident hat erklärt, Ruanda sei bereit, die Frauen, Kinder und Alte der Banyamulenge-Tutsi aufzunehmen, die jungen Männer aber nicht; die sollen ihre Heimat verteidigen.
Was genau will ihr Volk?
Es geht uns weder darum, die zairische Regierung zu stürzen, noch wollen wir unsere Unabhängigkeit. Wir wollen schlicht unsere Nationalität behalten und als zairische Bürger behandelt werden. Der Prozeß der Vertreibung der Banyamulenge begann bereits in den 80er Jahren, da wurde uns bei den Parlamentswahlen 1982 und 1987 das Wahlrecht aberkannt. 1995 beschloß dann das Parlament, uns auszubürgern – mit der Begründung, wir hätten an den Parlamentswahlen damals nicht teilgenommen. Wir wurden verfolgt und gefoltert. Unseren Nachbarn wurde untersagt, mit uns Handel zu treiben, unsere Güter wurden konfisziert. Die Banyamulenge gerieten zunehmend unter Druck. Mit der Ankunft der burundischen und ruandischen Flüchtlinge verstärkte sich die Kampagne gegen uns. Wir seien Tutsi und deshalb die Mörder ihrer Brüder, sagten sie. Was mal ein politisches Problem war, ist nun zu einem militärischen geworden. Die zairischen Politiker haben völlig versagt.
Als was sehen Sie sich, als Banyamulenge, als Tutsi, als Zairer?
Ich betrachte mich nicht als Zairer, ich bin es. Was Nationalität bedeutet, weiß ich erst, seit diese mir und den Banyamulenge im September 1995 in der Verfassung aberkannt wurde. Wir dürfen keine Zairer mehr sein, was aber sind wir denn? Wohin wollen wir, wir haben keine andere Heimat. Wir sind vor rund 200 Jahren nach Zaire gekommen, wir waren also bereits hier, als der zairische Staat gegründet wurde. Wenn ein Staat einfach beschließen kann, seine Staatsbürger auszubürgern, wohin führt das? Unser Problem ist eine Bedrohung für ganz Afrika. Denn in welchem Staat gibt es nicht Völker, die ursprünglich aus einem anderen Gebiet stammen? Wenn die internationale Gemeinschaft weiterhin tatenlos zuschaut, wie ein Volk einfach ausgewiesen wird, kann sie später zusehen, wie in ganz Afrika neue Grenzen gezogen werden. Und das kann weder das Interesse Afrikas noch der internationalen Gemeinschaft sein. Interview: Andrea König, Nairobi
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen