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„Wichtig wäre eine Umkehr der Beweislast“

■ Hans-Jörg Richter, Chef der Umweltkripo Berlin, über die Probleme bei den Ermittlungen

taz: Die gestrige Razzia soll den größten Umweltskandal Deutschlands aufgedeckt haben. Wie kommt es, daß sich solche Verbrechen so lange vertuschen lassen?

Richter: Das ist das Wesen dieser Verbrechen, sie spielen sich unbemerkt von der Öffentlichkeit ab. Es entzieht sich völlig der Kontrolle der Polizei, ob Firmen, die Sondermüll entsorgen, ordentlich arbeiten oder nicht. Nur die Ordnungsbehörden hätten die Möglichkeit, durch Überwachung und Kontrollen, die sie jederzeit vornehmen könnten, zu überprüfen, ob die Umweltauflagen eingehalten werden.

Sie sind also machtlos?

Na ja, die Crux liegt darin, daß man die einfachen und mittleren Straftaten problemlos erkennt. Also Altöl im Gulli oder ein Kühlschrank am Straßenrand fallen einfach auf und werden angezeigt. Wenn aber Großunternehmen mit starker krimineller Energie und hohem Umweltschaden Stoffe umdeklarieren oder Abfall verschieben, machen die das mit enormem Aufwand bestens getarnt in irgendeiner Anlage oder auf einem Betriebsgelände.

Was unternehmen Sie, um in Zukunft effektiver zu arbeiten?

Wir arbeiten stärker mit den Ordnungsbehörden zusammen, halten regelmäßig Vorträge in den Umweltämtern, bei den Mitarbeitern etwa des Berliner Bau- und Umweltsenators, und klären sie über ihre Pflichten auf.

Hilft das?

Ja, die Beamten melden verstärkt Unregelmäßigkeiten und konkrete Überwachungsergebnisse. Erst dann haben wir einen Anfangsverdacht und können die Ermittlungsmaschinerie in Gang setzen.

Warum arbeiten Sie nicht präventiv?

Wir sind ja nur die Ermittler. Die Profis sitzen in den Überwachungsbehörden. Die müßten uns eigentlich sagen, was wo nicht in Ordnung ist. Die Vergehen sind so kompliziert, daß das gar nicht anders geht.

Ist Abschreckung durch härtere Gesetze eine Lösung?

Nein, wichtig wären handhabbarere Gesetze, vor allem die Umkehr der Beweislast. Dann müßte der Verdächtige die Legalität nachweisen, statt die Ermittlungsbehörden ihm die Illegalität seines Handelns.

Wenn zum Beispiel ein Heizkraftwerk heißes Kühlwasser in einen Fluß einleitet und die Fische kocht, müßte der Betreiber seine Unschuld nachweisen. Heute sagt er einfach, ich hab' doch eine Genehmigung, und ist aus dem Schneider. Interview: Clemens Heidel

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