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ÖTV: Wer Lohnkürzung sät, wird Streik ernten

■ Bayern fordert Kündigung der Manteltarifverträge im öffentlichen Dienst, um kranken Angestellten und Arbeitern Lohn zu kürzen. SPD-Länder lehnen ab

München/Düsseldorf (taz) – Jetzt soll es auch den Kranken im öffentlichen Dienst an den Kragen gehen. Das strebt zumindest der bayerische Finanzminister Erwin Huber an. In Briefen an Bundesinnenminister Manfred Kanther und den Vorsitzenden der Tarifgemeinschaft Deutscher Länder, Nordrhein-Westfalens Finanzminister Heinz Schleußer (SPD), verlangte der Münchener CSU-Politiker gestern die sofortige Kündigung der Manteltarifverträge im öffentlichen Dienst, um Verhandlungen über Lohnkürzungen auf 80 Prozent im Krankheitsfall aufzunehmen. Ein Besserstellung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes gegenüber der Privatwirtschaft sei nach der Bonner Gesetzesveränderung nicht vertretbar, schrieb Huber.

Die Reaktion der Gewerkschaft ÖTV erfolgte prompt. Gegen eine solche tarifpolitische Wende werde sich die ÖTV mit den „härtesten Mitteln – bis hin zum Streik – wehren“, kündigte Gewerkschaftssprecherin Olga Leisinger prophylaktisch an. Im Zweifelsfall würden die 3,2 Millionen Beschäftigten in Bund, Ländern und Gemeinden für den „Stillstand im gesamten öffentlichen Dienst“ sorgen.

Eine Mehrheit für den Huber- Vorschlag dürfte es in der Ländertarifgemeinschaft – ihr gehören alle Länder außer Berlin an – indes vorerst nicht geben. Erst jüngst hatte die Ländermehrheit im Bundesrat eine Kürzung der Lohnfortzahlung für Beamte abgelehnt. Daß die mehrheitlich sozialdemokratisch regierten Länder nun ausgerechnet bei den Arbeitern und Angestellten zum Kurswechsel bereit sein könnten, ist so gut wie ausgeschlossen. „Wir halten das Entgeltfortzahlungsgesetz insgesamt für falsch und werden deshalb auch nicht dabei helfen, es zunächst im öffentlichen Dienst durchzusetzen“, sagte die Sprecherin des Düsseldorfer Finanzministers. Ablehnung signalisierte auch die Sprecherin des Hannoveraner Finanzministers: Hubers Vorschlag mache „keinen Sinn“.

Umgesetzt werden könnte der Vorstoß nur durch eine Kündigung des gesamten Bundesangestelltentarifvertrages (BAT). Einen schnellen Erfolg verspäche dieser Weg für die Arbeitgeber indes nicht. Bis zur Einigung auf einen neuen Vertrag bliebe der alte in Kraft. Das ist zumindest die Rechtsauffassung der SPD-Länder. Dabei stellte die ÖTV-Sprecherin gestern schon vorsorglich klar, daß „wir über die Kürzung der Lohnfortzahlung nicht verhandeln werden“. Schon bei der letzten Tarifrunde hatte die Gewerkschaft das Verlangen der Arbeitgeber abgewehrt, über diesen Punkt Verhandlungen zu führen. Walter Jakobs

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