piwik no script img

Landgericht glaubte Polizisten nicht

■ Zwei Polizisten bestritten vergeblich, einem Ukrainer 39.000 Mark gestohlen zu haben

Schuldig. So lautete gestern das Gerichtsurteil gegen zwei Bremer Polizeibeamte, die dem Ukrainer Igor P. 39.000 Mark gestohlen haben sollen. Dafür steht jetzt ein Urteil über 10 Monaten auf Bewährung in ihrem Führungszeugnis. Beide verließen niedergeschlagen den kleinen Strafkammersaal im Bremer Landgericht.

Fast genau vor einem Jahr hatte das Bremer Amtsgericht die Beamten freigesprochen. Denn was im März 1994 geschah, erschien dem Amtsgericht zweifelhaft: Igor P. selbst hätte der „Täter“ sein können, der das Geld verschwinden ließ und dann andere beschuldigte.

Die Staatsanwaltschaft legte Berufung ein – und der Prozeß wurde ein zweites Mal aufgerollt. Auch dieses Mal hatten die Verteidiger der beiden Beamten Ralf W. und Thomas S. vom 6. Polizeirevier immer wieder versucht, „die Opfer zu Tätern zu machen“, erklärte gestern Richter Asbrock.Nachsatz: „Wir sehen das nicht so.“

Gemeinsam mit einem Kollegen war der Ukrainer Igor P. nach Bremen gekommen, um für seine Firma zwei gebrauchte Kleintransporter zu kaufen. Dazu hatten sie knapp 39.000 Mark dabei. Mit zwei Geldpäckchen kamen sie bei einer Bremer Gebrauchtwagenfirma an, suchten zwei Transporter aus, um sie am nächsten Morgen zu bezahlen, so sieht Asbrock den Fall. Danach kam es zum Knackpunkt des umfangreichen Indizienprozesses: Der Vorfall am Hauptbahnhof.

Die Beamten waren zu Karstadt gerufen worden, um einen Ladendieb festzunehmen, nämlich Igor P. Sie durchsuchten ihn, Polizist Ralf W. stellte zwei Pässe und zwei Geldpäckchen sicher. Weil sie einen Schließfachschlüssels fanden, fuhren sie gemeinsam zum Bahnhof. Dort fanden die Beamten nichts Verdächtiges, stiegen wieder in das Auto ein und gaben die Pässe zurück – „nicht aber das Geld“, faßte Richter Asbrock die Zeugenaussage von Igor P. zusammen. „Money, money“ habe der vor dem Wagenfenster geschrien.

Diese Geste legten die Verteidiger als Bestechungsversuch aus, um von einer Diebstahlanzeige abzusehen. Nachträglich kam es so zu einer Gegenstrafanzeige der Polizisten gegen Igor P. Für Richter Asbrock „ein ungewöhnliches Mittel“, um Igor P. der Täterschaft zu überführen. „Diese Strategie ist nicht aufgegangen.“

Ebenso die Idee, Igor P. eines lange geplanten Komplotts zu beschuldigen: Er habe das Geld seiner Firma verschwinden lassen wollen. Für das Gericht jedoch eine ebenso „nicht seriöse Variante“. Schließlich hätte der Ukrainer danach das Autokennzeichen der Polizei notiert und Anzeige bei der Kripo erstattet. „Da hätte er ja schnell als Täter überführt werden können“, erklärt der Richter.

„So viele Details kann man sich nicht ausdenken“, und: „Ich glaube ihm“ – diese Sätze von zwei Kripobeamten führte das Gericht als „wichtige Zeugenaussagen“ zur Glaubwürdigkeit Igor P.'s vor.

Die Beamten selbst hätten sich „dazu hinreißen lassen“, das Geld zu behalten und damit als Amtsträger die Lage eines Schwachen ausgenutzt, befand das Gericht und verklagte die beiden wegen Verwahrungsbruch und Unterschlagung. Jetzt steht den beiden noch ein Disziplinarverfahren bevor. Außerdem hat Zeugenbeisteher eine Zivilklage für den Ukrainer angestrengt – damit Igor P. sein Geld zurückbekommt. Es wurde bisher nicht gefunden. kat

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen