■ Vorschlag: „Dürers Erben“ – ein Film von Lutz Dammbeck in der Brotfabrik
Die DDR ist verschwunden, ihre Staatsmaler sind es nicht. Wenigstens zwei von ihnen, Werner Tübke und Bernhard Heisig, verkaufen gar besser als zuvor. Anlaß für den Maler, Performer und Filmemacher Lutz Dammbeck, seine Spurensuche zur Autonomie der Kunst im 20. Jahrhundert dort fortzusetzen, wo er herkommt: im Osten. Dammbeck war als Protagonist der DDR-Subkultur daran beteiligt, den staatlichen Kunstbegriff – vergegenständlicht gerade in den Werken von Tübke und Heisig – zu unterlaufen. Er stellt ihn als Gegenentwurf zur Moderne vor. Als Absolvent der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst weiß er, wovon er redet. Tübke und Heisig hatten dort studiert und später jene sozialistische Auffassung gelehrt, daß die Welt erkennbar sei. Obwohl Dammbecks eigene Konzepte sowohl ästhetisch als auch politisch im schrillen Gegensatz zu denen von Tübke und Heisig stehen, kanzelt er ihren Ansatz nicht ab. Zwar nennt er sie „Malerfürsten“ und ist auch weit davon entfernt, ihr Werk aus der Verstrickung mit dem DDR- Staat zu lösen, aber in den Bildern seines Films läßt er die Souveränität seiner Kontrahenten zu. Dammbeck ist klug genug, nicht aus einer Opferhaltung heraus zu filmen, die es ungerecht findet, daß die ehemaligen Staatskünstler auch heute noch erfolgreich sind. Er enthält sich eines Urteils über die ästhetische Qualität. Nicht, daß ihre Kunstauffassung mit der kommunistischen übereinstimmte und sie es deshalb in der DDR bequem hatten, wirft Dammbeck ihnen vor, sondern daß sie zuließen, daß die Kulturfunktionäre abweichende Auffassungen verbannten und das so abgesteckte Feld hermetisch abriegelten. Der Bau der Mauer habe mit ihm nichts zu tun gehabt, sagt Tübke. Schade nur, daß Dammbeck in Interviews Provokation eher zu meiden scheint. Er fragt so zurückhaltend, daß er sein politisches Urteil am Ende recht autoritär in den Kommentar packen muß. Merkwürdig bleibt auch, daß der Untergang der DDR spurlos an den beiden Malern vorübergegangen zu sein scheint – als hätte es für sie nun wirklich keinen Bruch gegeben. Selten blitzt auf, daß die Souveränität Tübkes auch Risse hat: Soo genau könne er sich an die Zustände damals nun auch nicht mehr erinnern, weist er Dammbeck einmal unwirsch zurück. Minutiöse Erinnerung sei nicht zu haben, sagt er da: „Ich bin kein Auskunftsbüro.“ Friederike Freier
„Dürers Erben“, Regie: Lutz Dammbeck, bis 6. 11., jeweils 19.30 Uhr, in der Brotfabrik, Prenzlauer Promenade 3, Tel. 4174001
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen