piwik no script img

■ QuerspalteFliege ans Kreuz

Am ersten Tag schuf Gott Himmel und Erde. Später dann noch Wind, Wasser, Luft und irgendwann auch den Menschen. Und als er sah, daß es gut war, wollte er ruhen und sich vor dem Fernseher entspannen. Doch siehe, es ward kein Fernseher da. Also schuf Gott auch noch den Fernseher und bestimmte einen kleinen Mann in einer zerlumpten Lederjacke und abgetragenen Jeans zu seinem Stellvertreter im 16:9-Format.

So etwa muß es sich abgespielt haben, als der evangelische Pastor Jürgen Fliege auf Sendung ging. Denn kaum jemand hat den Erlöserauftrag so verinnerlicht wie der TV-Pfarrer, der uns täglich aufs neue erscheint und durch bloßes Handauflegen öffentlich-rechtliche Quoten in die Höhe treiben kann. Auch sein kleiner Katechismus strebt unaufhaltsam auf biblische Auflagenhöhen.

Aber siehe, längst hat sich Fliege von seiner externen Lenkungsmacht emanzipiert und gehorcht nur noch dem Messias in sich selbst. Als solcher hat er nun der Kirche empfohlen, die Gottesdienste „lustiger und spannender“ zu machen. Und wer nur ein bißchen von Erlösern versteht, weiß, daß sie so etwas am liebsten selbst besorgen.

So dürfte denn Flieges erstes interaktives Seelenamt nicht mehr lange auf sich warten lassen. Mit einem heiteren Reliquienraten („Wessen Fußpilz bin ich?“) und einer versteckten Kamera im Beichtstuhl. Und während Bio auf seinem Boulevard ofenwarme Oblaten verteilt, wird Wim Thoelke unter großem Halleluja in der Krypta auferstehen.

Auch Flieges Forderung nach mehr „spirituellem Handwerk“ wollen wir vorbehaltlos unterstützen. Per TED könnte entschieden werden, wer zünftig exorziert wird, und zum Schluß der Talkshow-Saison wird ein „Autodafé 96“ gegeben: die Ketzerin Schreinemakers lichterloh auf einem Stapel unausgefüllter Steuererklärungen. Und Karfreitag schreitet Fliege im Büßergewand zur Selbstkreuzigung – live mit echten Nägeln. Denn sehet: „Wer gibt, dem wird gegeben werden.“ (Irgendwo in der Bibel) Oliver Gehrs

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen