: Kiezkönig Nisble droht Senat
■ Bürgermeister erwägt Verfassungsklage gegen Sparauflagen. Senat habe Voraussetzungen für Kürzungen nicht geschaffen. Grüne fordern Feuerwehrfonds
Die Bezirke führen bittere Klage, daß sie die Konsolidierung des Landeshaushalts 1997 ganz alleine zu tragen hätten. So steht es in einer 10-Punkte-Erklärung, die der Rat der Bürgermeister (RdB) gestern verabschiedete. Das Weddinger Stadtoberhaupt Hans Nisblé (SPD) drohte gar mit einer Verfassungsklage. Der Senat statte die Bezirke finanziell nicht adäquat aus. Dem sei nur mit einer Klage abzuhelfen, so Nisblé.
Die finanzpolitischen Spielräume der Bezirke sind ausgesprochen eng. Bürgermeister und Stadträte beklagen, daß sie nur noch die Pflichtleistungen erfüllen könnten – etwa das Auszahlen von Sozialhilfe oder Leistungen des Jugendhilfegesetzes. Freiwillige Aufgaben wie die Kulturförderung, das Betreiben von Jugendeinrichtungen oder Sportstätten seien kaum mehr möglich.
Der RdB moniert nun „offenen Widerstand des Senats“ gegen die Bezirke. Die Landesregierung selbst sei es, die die Voraussetzungen fürs Sparen nicht geschaffen habe. Die Bürgermeister meinen damit die Verwaltungsvorschriften, die laut Koalitionsvereinbarung bis Ende des Jahres außer Kraft gesetzt werden sollten. Geschehen ist bislang wenig. Vor allem die Bau- und die Innenverwaltung verweigern das Roden des Paragraphendschungels. Ohne gelockerte Vorschriften aber seien die Kürzungen „völlig unrealistisch“, erklären die Kiezkönige.
Die offizielle Sparsumme der Bezirke beträgt – in bezug auf das „Basisjahr“ 1995 – 945 Millionen Mark. Der Weddinger Bürgermeister addiert 800 Millionen Mark außerordentlicher Sozialausgaben hinzu, die in den Bezirken anfallen. So kommt Nisblé auf 1,8 Milliarden Mark an „De facto“-Kürzungen in den Bezirksetats. Haushaltsexperten verschiedener Bezirke selbst relativierten diese Zahl allerdings. Die Bezirkshaushalte müßten richtigerweise mit dem Nachtragshaushalt 1996 verglichen werden, dann stünden rund 100 Millionen Mark Einsparungen zu Buche. Auch Nisblé räumte auf Nachfrage ein, daß die jetzigen Etats sich auf dem Niveau des 96er Nachtrags bewegten. Nisblé ist Autor der 10-Punkte-Erklärung.
Die Bündnisgrünen haben unterdessen in einem Antrag ans Abgeordnetenhaus darauf hingewiesen, daß die Probleme der Bezirke mit den Globalhaushalten zusammenhängen – die eigentlich mehr Budgetfreiheit schaffen sollten. Tatsächlich litten Jugend- und Sozialeinrichtungen darunter. Daher müsse nun dringend ein Feuerwehrfonds geschaffen werden, so die Grünen, sonst fiele die soziale Infrastruktur der Bezirke unwiederbringlich dem Sparkurs zum Opfer. Christian Füller
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