: „In 30 Jahren bin ich gut“
■ In Delmenhorst kümmert sich Rita Löwe um die Leiden von Hunden, Katzen und anderen Vierbeinern – mit Homöopathie und Herzblut / Hunde als Simulanten
Einmal wurde Rita Löwe aus ihrer Delmenhorster Praxis nachts nach Bremen gerufen. Ein Notfall. Dackel kennen nun mal keine Sprechstunden. „Putzi“ hatte wieder seine Dackellähmung und ist nicht mehr zum Laufen zu bewegen, hatte Herrchen alarmiert am Telefon gesagt. Also nichts wie hin. Doch nach 30 Jahren Erfahrung im Umgang mit mehr oder minder hoch entwickelten Vierbeinern bewahrt die Berlinerin mit Wahlheimat Delmenhorst (ja, das gibt es), Rita Löwe, ruhig Blut.
An der Wohnungstür öffnet sie den Briefschlitz und meldet zuckersüß mit immer noch leicht berlinisch gefärbter Stimme: „Putzi! Tante Löwe ist hier!“ Eilige Schritte nähern sich. Putzis. Klarer Fall, diagnostiziert Rita Löwe. Auch Hunde können Simulanten sein: Der Dackel wollte einfach nicht mehr auf der Straße Pipi machen und wußte, wie Herrchen in den Zustand eines besorgten Tierhalters zu versetzen war, in dem er Dackels Launen bedingungslos gehorchte. Gegen Rita Löwe dagegen war er machtlos.
Löwe führt eine der wenigen homöopathischen Tierheilpraxen in der Region. „Putzi“ war einer ihrer Patienten. Neben Katzen, Wüstenrennmäusen, Meerschweinchen, Kakadus, Hamstern. Herrchen und Frauchen leidender Vierbeiner – allesamt „sehr besorgte“ TierhalterInnen – kommen mittlerweile aus Frankfurt, Wuppertal und dem Bayerischen Wald nach Delmenhorst. Für sie hält die Homöopathin, die „zur Sicherheit“ gleich drei Diplome ihr eigen nennt, eine Patientenwohnung über der Praxis bereit. Kostenlos können BesucherInnen von außerhalb dort übernachten und hoffen, daß es den Tieren bald besser geht.
Leute im Alter von zehn bis 80 Jahren kommen zu ihr, „sehr viele Ehepaare“ darunter, solche, die sich selbst homöopathisch behandeln lassen und solche, die „das Ärzte-Shopping schon hinter sich haben“. Die erwarten sich oft Wunderdinge von der homöopathischen Behandlung. Doch wenn Schäferhund oder Boxer schon zu alt sind und sich das Immunsystem und die Abwehrlage durch die Behandlung nicht mehr aktivieren lassen, muß Rita Löwe Herr und Hund wieder nach Hause schicken: austherapiert. „Wenn ein Tier zehn oder zwölf Jahre lang Freude geschenkt hat, muß man es sterben lassen können.“
Lungenödeme, Herzerkrankungen, Gelenkverschleiß, Magen- und Darmbeschwerden, Hautkrankheiten – hier kann die Homöopathie oftmals helfen. Doch nur, wenn Rita Löwe alles über das kranke Tier erfährt. Zuerst werden die Besitzer „ausgequetscht bis zum Gehtnichtmehr“. Vorbesitzer, Umfeld, Verhaltensauffälligkeiten – alles ist wichtig.
Wer die Praxis von Rita Löwe betritt, glaubt, in einem gutbürgerlichen Wohnzimmer zu stehen. Haufenweise Pflanzen, Geschenke zufriedener KundInnen, stehen dicht an dicht im Flur. Auf der voluminösen Ledergarnitur im Sprechzimmer sollen Hund und Katze sich wie zuhause fühlen. Nebenan dudelt ein Radio. „Das ist nur für die Vögel“, sagt Rita Löwe. Die Wellensittiche mögen Musik. Eine Maus genießt Asyl in der Praxis. „Schulmedizin“, sagt sie, „ist oft nur Blockade, keine Heilung.“ Homöotherapien sind langwieriger; Rita Löwe operiert nicht, setzt keine Antibiotika und Sedativa ein, nimmt sich viel Zeit. Und glaubt an die Wirkung stark „verschüttelter“, also verdünnter homöopathischer Medikamente. „D 1000“ zum Beispiel heißt, das Mittel wurde 1.000 Mal geschüttelt. Die Schüttelungen setzen sich – ein esoterischer Ansatz – im Tierkörper fort – und wirken trotz extrem niedriger Dosierung. Die Schulmediziner sind meistens nicht davon zu überzeugen, weiß die Homöopathin.
„Noch mal 30 Jahre, dann bin ich gut“, sagt Rita Löwe, die „von klein auf“ mit Tieren Umgang hatte. Ihr größter Wunsch war es, Tierärztin zu werden, zu studieren, doch dafür hatten die Eltern kein Verständnis und kein Geld. So wurde Homöopathie unfreiwillig zur Alternative. Ihre Praxis führt sie allein; der Mann kümmert sich um die Buchführung. Eine Sprechstundenhilfe gibt es nicht. „Wer sollte mir helfen? Arzthelferinnen mit homöopathischer Ausbildung gibt es nicht.“ Hilfe hat sie auch gar nicht nötig. Sogar mit Pitbulls und „Angstbeißern“ kommt sie gut zurecht: „Ganz liebe Tiere!“
Bloß die Besitzer sind manchmal empfindlich. „Als ich einmal zu einem gesagt habe: ,Ist der Hund fett!', hat der das persönlich genommen und ist nie wieder aufgetaucht.“
Alexander Musik
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