: Die kranken Häuser Hamburgs
Ärztekammer und Krankenhausgesellschaft wehren sich gegen Klinik-Kahlschlag und geizige Krankenkassen ■ Von Lisa Schönemann
Die Faustschläge der Bonner Gesundheitspolitiker treffen langsam aber sicher die Magengruben der PatientInnen. „Besonders ältere Menschen sind verunsichert, ob notwendige Operationen wie geplant stattfinden können“, schließt Hamburgs Ärztekammerpräsident Frank Ulrich Montgomery aus der Anzahl der bei ihm eingegangenen Anrufe. Durch die Hiobsbotschaften über bevorstehende Schließungen ganzer Abteilungen würden „die Kliniken kaputter geredet, als sie ohnehin schon sind“.
Im Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK), in dem alle staatlichen Kliniken zusammengeschlossen sind, müssen mindestens 1600 MitarbeiterInnen um ihre Arbeitsplätze fürchten. Allein die Uniklinik Eppendorf (UKE) soll rund 50 Millionen Mark einsparen. Der gewünschte Etat von 524 Millionen Mark dürfte unter diesen Umständen ein Traumziel bleiben. Außerdem gibt es Pläne, die Frauenklinik Finkenau mit rund 2000 Entbindungen pro Jahr zu schließen, nachdem gerade über zwei Millionen Mark in die Modernisierung der Operationssäle gesteckt worden sind.
Tatsächlich sind die Krankenversicherungen durch die neue Gesundheitsgesetzgebung in eine finanzielle Krise geraten und zeigen sich äußerst zugeknöpft, wenn es um die Budgetverhandlungen 1996 für die Hamburger Hospitäler geht. Aus der Sicht des Ärztekammerpräsidenten wird es Zeit, daß die Kassen „ihre unverantwortliche Blockadehaltung“ bei den Etatberechnungen aufgeben: „Ein Budget, das im November rückwirkend für das Jahr 1996 festgelegt wird, bietet keinen Rahmen, in dem man planen kann, sondern ist ein Kahlschlag“.
Auch die Hamburgische Krankenhaus-Gesellschaft (HKG) übte gestern scharfe Kritik an der Planungsunsicherheit: „Notwendige Rationalisierung in den Krankenhäusern darf nicht zu Rationierung führen“, meinte der HKG-Vorsitzende Otto Buchholz. Die Grenze sei da zu ziehen, wo die Versorgung der Patienten gefährdet sei.
„Die Hamburger Kliniken brauchen dringend Planungssicherung über mehrere Jahre, um in vertretbarem Zeitrahmen einen geregelten Anpassungsprozeß überhaupt bewältigen zu können“, meinte Buchholz. Daher strebten LBK und das UKE Budgets für mindestens drei Jahre an. Gesundheitssenatorin Helgrit Fischer-Menzel (SPD) forderte Montgomery gestern auf, „in diesem Strukturchaos ein klares Wort zu sprechen“.
Zuletzt hatte die Nachricht von der Schließung der Herzchirurgie am UKE für Schlagzeilen gesorgt, in der jährlich 1100 Operationen durchgeführt werden. Als einen „Treppenwitz“ bezeichnete Montgomery Überlegungen, die (staatliche) Herzchirurgie in Eppendorf zu schließen und dafür eine neue (private) derartige Abteilung an das AK Altona anzugliedern. „Die Gewinne könnten dann privat abgeschöpft werden“, so Montgomery. Und: Die führenden Herzchirurgen in Hamburg haben ihr Handwerk im UKE gelernt.
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