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Hauseigentümer muß zahlen

■ Strafbefehl für Überfall auf Hausbesetzer: Im Mai 1994 verwüsteten Wachschützer ein Haus in Friedrichshain und schoben die Tat den Besetzern in die Schuhe

Der Überfall vom 29. Mai 1994 auf das besetzte Haus Rigaer Straße 80 in Friedrichhain hat ein juristisches Nachspiel gefunden. Wie erst jetzt bekannt wurde, wurde gegen den Eigentümer Sven R. wegen Beihilfe zur Nötigung ein Strafbefehl in Höhe von 18.000 Mark erlassen. Gegen zwei Mitarbeiter einer Wachschutzfirma, die an dem Überfall beteiligt waren, ergingen nach Angaben der Justizverwaltung weitere Strafbefehle in Höhe von 3.000 bzw. 6.500 Mark wegen Nötigung, unerlaubten Waffenbesitzes sowie Körperverletzung.

Am Morgen des 29. Mai 1994 waren gegen 5 Uhr etwa 30 Personen in das besetzte Haus eingedrungen. Zunächst hatten sie mit Eisenstangen eine Dachluke aufgebrochen und in den oberen Stockwerken Türen eingeschlagen. Hausbewohnern gelang es jedoch, die Eindringlinge zu vertreiben. Sie flüchteten über die Dächer der Nachbarhäuser. Ein zweiter Trupp gelangte über das Treppenhaus in einen Partyraum. Die dort befindlichen Gäste eines Hausfestes wurden mit Tränengas eingenebelt. Mehrere Bewohner wurden zum Teil schwer verletzt, anderen gelang es, einen der Eindringlinge festzuhalten. Er wurde der Polizei übergeben.

Durch polizeiliche Ermittlungen konnte dem Eigentümer des Hauses, Sven R., die Beihilfe zum Überfall nachgewiesen werden. Im September 1995 hatte R. sich mit der Bitte um Unterstützung an den Petitionsausschuß des Abgeordnetenhauses gewandt. In dem Schreiben unterstellte er den Besetzern mehrere Straftaten, unter anderem die von ihm selbst initiierte „Massenschlägerei im Mai 1994“. Eine tatsächlich nie aufgeklärte Brandstiftung im März 1995 sei „direkt oder indirekt von den Besetzern ausgegangen“. Auch den nach dem Brand auf dem Dachboden des Hauses von der Polizei sichergestellten Sprengstoff, dessen Herkunft nie geklärt werden konnte, rechnete der Eigentümer zu den „auf das Objekt bezogenen Aktivitäten“ der Besetzer.

Das Haus Rigaer Straße 80 gehört zu den letzten besetzten Häusern in Friedrichshain. Vertragsverhandlungen zwischen R. und der Selbstverwalteten Ostberliner GenossInnenschaft (SOG), die das Haus für die Besetzer erwerben wollte, waren im Mai 1995 gescheitert, da der Eigentümer das Haus nicht verkaufen wollte. Die angebotenen Einzelmietverträge hatten die Besetzer wegen des fehlenden Vertrauensverhältnisses nach dem Überfall abgelehnt. Die etwa 30 Bewohner des Hauses, die sich vor allem um die Integration jugendlicher Obdachloser in ihr Projekt bemühen, befürchten nun eine baldige Räumung. Gereon Asmuth

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