piwik no script img

Auf Schusters Rappen in die weite Welt

■ Ob ein Auslandsaufenthalt gefördert wird, hängt vor allem von der Branche ab

„Das Wandern ist des Müllers Lust“, erinnert Ingeborg Algieri, Sprecherin des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, an eine jahrhundertealte Tradition. So gehört es auch heute noch in einigen Handwerksberufen dazu, daß man in die Welt zieht und schaut, wie man in anderen Regionen arbeitet.

„Vor allem im Baugewerbe“, meint Algieri, könnten Gesellen auf Wanderschaft ihre Kentnisse erweitern. So könne man sich in Norddeutschland oder Dänemark anschauen, wie Dächer mit Reet gedeckt werden. Reiselustige Handwerker müßten sich aber hauptsächlich von selbst auf Schusters Rappen machen, sagt Algieri. Besondere Programme gebe es allenfalls für Gesellen. In das herkömmliche Ausbildungssystem könnten solche Exkursionen kaum eingebaut werden. Und auch von den späteren Arbeitgebern würden diese kaum nachgefragt.

Ob ein Auslandsaufenthalt von den Arbeitgebern gern im Lebenslauf gesehen wird, hängt in erster Linie von der jeweiligen Branche ab. Wirklich lohnend für die ersten Sprünge auf der Karriereleiter ist ein Bildungstrip in die Ferne nur dann, wenn am oberen Ende der Leiter ein multinationales Unternehmen lockt. „Im kaufmännischen Bereich“, meint Marie Rosenberg vom Bundesverband des Groß- und Außenhandels, „sollte man Auslandserfahrung auf jeden Fall mitbringen.“ Der Fremdsprachenunterricht in der Schule sei für einen späteren professionellen Einsatz unzureichend.

Allerdings ist klar, daß Auslandsaufenthalte in erster Linie bei studierten Bewerbern nachgefragt werden, wie Siegrid Kümmerlein, Bildungsreferentin beim Deutschen Industrie- und Handelstag, feststellt. In den klassischen Ausbildungsberufen könne sie nur davor warnen, Auslandserfahrungen überzubewerten. Unternehmen, die dennoch Wert auf grenzüberschreitende Erfahrung bei ihrem Nachwuchs legen, würden in erster Linie selbst darauf achten, daß Auslandspraktika nicht zu kurz kämen. Dies sei vor allem in naheliegenden Branchen wie dem Hotel- und Gaststättengewerbe oder bei Speditionsunternehmen der Fall. Viele Arbeitgeber würden aber statt eines kostspieligen Auslandsaufenthaltes eher Sprachkurse finanzieren – zwar meist mit Muttersprachlern als Lehrern, aber eben in der deutschen Heimat.

Spezielle Weiterbildung in diesem Bereich wird, so Kümmerlein, nur selten in die eigentliche Ausbildungszeit integriert. In der Regel, so die Bildungsbeauftragte, werden Auslandsabstecher nur gefördert, wenn dem Unternehmen klar ist, an welcher Stelle der Nachwuchs genau eingesetzt wird. Dies trifft vor allem für das Bankgewerbe zu. „Da wird schon mal ein junger Kaufmann zunächst nach London und anschließend nach China geschickt“, weiß Gisela Kreyentschmidt vom Arbeitgeberverband der privaten Banken. Die Mehrheit der etwa 4.000 deutschen Kreditinstitute sind aber kleinere Unternehmen, schränkt Kreyentschmidt ein. Hier dürfen sich die angehenden Geldhändler nur wenig Hoffnung auf den exotischen Arbeitsplatz machen. Fremde Währungen werden hier nur am heimischen Schalter gezählt. Gereon Asmuth

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen