: Nicht beteiligt an „einer Kurzschlußhandlung“
■ „Landshut-Prozeß“: Verteidigung fordert mildes Urteil für Souhaila Andrawes
„Um zu einer angemessenen Strafe zu kommen, hat die Bundesanwaltschaft den Punkt benutzt, der mich am meisten erniedrigt: Die Kronzeugenregelung.“ Ein halbes Jahr nach Prozeßbeginn wehrte sich Souhaila Andrawes gestern erneut dagegen, sie habe Monika Haas mit ihren Beschuldigungen der deutschen Justiz ausgeliefert. In ihrem letzten Statement vor dem Urteil des Hamburgischen OLG, das am kommenden Dienstag gesprochen wird, resümierte die Palästinenserin: „Mein Unglück ist, daß ich die einzige bin, die überlebt hat. Jetzt muß ich die Verantwortung für alles tragen.“
Auf eine milde Strafe für Andrawes plädierte gestern ihr Anwalt Hajo Wandschneider. Denn nur um die in Frankfurt angeklagte Monika Haas als RAF-Aktivistin überführen zu können, sei Andrawes in Untersuchungshaft genommen und nach Deutschland ausgeliefert worden, lautete Wandschneiders politische Einschätzung. Er forderte für die Palästinenserin, die mit dem Kommando „Martyr Halimeh“ 1977 die Lufthansa-Maschine „Landshut“ entführt hatte, daß sie die Haft in der Nähe ihrer Familie in Norwegen verbüßen kann.
Andrawes sei zweifellos wegen Flugzeugentführung und Geiselnahme zu verurteilen, so Wandschneider. Aber am Tod des ehemaligen Piloten Jürgen Schumann treffe sie keine Schuld, widersprach der Anwalt entschieden der Haltung der Bundesanwaltschaft (BAW). Andrawes sei weder Mittäterin, noch habe sie den Todesschützen Akacha Hilfe geleistet. Die Hinrichtung sei eine Exzeßtat, eine „Kurzschlußhandlung“ des Anführers gewesen, die vom Tatplan erheblich abgewichen sei.
Niemand von der ehemaligen „Landshut“-Besatzung oder den Passagieren könne Gespräche bezeugen, in denen die Erschießung des Piloten geplant worden wäre. Vor Gericht hätten alle Zeugen höchst unterschiedlich geschildert, wie sich die vier EntführerInnen nach dem Tod des Piloten verhielten, daher könne auch nicht gefolgert werden, Andrawes habe die Hinrichtung im nachhinein gebilligt. So aber hatte die BAW vergangene Woche argumentiert, um Andrawes auch wegen Mordes zu verurteilen.
Die BAW hatte dennoch nicht auf lebenslang, sondern auf eine zwölfjährige Freiheitsstrafe plädiert, da sie Andrawes als Kronzeugin gegen Haas anerkennt. Andrawes aber hatte stets wiederholt, sie sei keine Verräterin. Auch ihre norwegische Anwältin Bache-Wieg warf in ihrem Plädoyer der Bundesanwaltschaft (BAW) vor, daß sie zur Strafmilderung allein die Kronzeugenregelung herangezogen und alles weitere außer acht gelassen habe: Andrawes' schwere Verletzungen, ihre Resozialisierung, und daß ihre Tochter Leila die Mutter dringend bräuchte. Andrawes habe bereits eine Strafe verbüßt, so Bache-Wieg, und solle endlich wieder in Freiheit leben können.
Elke Spanner
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