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Wehrmacht spaltet die Koalition 4:4 gespalten

■ Streit um die Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht“ führt zu Patt im Senat

Eine ordentliche Vorbereitung der Senatssitzung fand gestern nicht statt, so lange stritt die informelle „Frühstücksrunde“ der Senatoren über die für den kommenden Mai geplante Ausstellung „Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht“. Ohne eine Annäherung: In der ordentlichen Senatssitzung stellten die vier CDU-Senatoren demonstrativ ihren Antrag – Ausstellung ja, aber nicht im Rathaus - und holten sich – vier dafür, vier dagegen – die erwartete Ablehnung. Nun liegt es allein am Bürgermeister, ob er als Hausherr daran festhält, seine Untere Rathaushalle zur Verfügung zu stellen oder nicht.

„Durch diesen Streit um den Ort bekommt das Thema richtig Brisanz“, sagt Bildungssenatorin Bringfriede Kahrs. Sie ist dafür, zu ihrem Verantwortungsbereich gehört auch die Landeszentrale für politische Bildung. Ursprünglich und eigentlich war die CDU insgesamt gegen die Ausstellung. „Wir sagen: Man sollte sie lieber nicht zeigen“, sagt Klaus Bürger, CDU-Bildungspolitiker und Vertreter im Beirat der Landeszentrale. Nicht, daß eines der Dokumente in dem 222 Seiten starken Katalog zur Ausstellung unecht sei. In einer „Argumentationshilfe“ zu der Ausstellung hat auch das Verteidigungs ministerium im April 1995 festgestellt: „An den dort aufgeführten Quellen ist wohl kaum zu zweifeln.“

Und so konzentrieren sich die Bedenken auf den „Eindruck“, der durch die unbezweifelten Text-Dokumente entsteht. Der „Eindruck“ sei, alle Soldaten der Wehrmacht seien „potentielle Mörder“ gewesen, beklagt Bürger: „Wieviele sind in den Krieg gezwungen worden?“ Die Ausstellung wirke polarisierend, das sei bei dem Thema nicht gut: „Lieber wäre uns, wenn sie gar nicht in Bremen stattfinden würde“, gesteht Bürger, aber wenn ein privater Verein sie irgendwo zeigen würde, dann hätte er nichts dagegen.

Dabei ist diese symbolische Frage durchaus entscheidend. Der umfangreiche Katalog mit den Fakten ist im Buchhandel erhältlich, die wissenschaftliche Debatte in Fachzeitschriften seit Jahren voll im Gange. Was das Bundesverteidigungsministerium ärgert, sind die provokativ zugespitzten Thesen und die eindrucksvoll zusammengestellten Fotos der Ausstellung. Die Behauptung, die deutschen Soldaten taten mit Anstand und Würde ihre soldatische Pflicht, „diese Behauptung ... bestimmt bis heute die öffentliche Meinung“, schreibt Hannes Heer im Vorwort zu dem Katalog. Die Ausstellung will einem breiten Publikum mit unzähligen Dokumenten zeigen, daß die Wehrmacht „1941 bis 1944 auf dem Balkan und in der Sowjetunion keinen ,normalen' Krieg, sondern einen Vernichtungskrieg gegen Juden, Kriegsgefangene und Zivilbevölkerung“ führte. Heer: „Die deutsche Militärgeschichtsschreibung ...weigert sich einzugestehen, daß die Wehrmacht an allen Verbrechen aktiv und als Gesamtorganisation beteiligt war“.

Das Bundesverteidigungsministerium empfiehlt in einer Argumentationshilfe, gegenüber den Arbeiten des Hamburger Instituts für Sozialforschung einzuräumen, daß „mehr als früher angenommen“ auch die „Wehrmacht als Organisation“ in „NS-Verbrechen verstrickt“ sei. Allerdings sei „die Forschung im Fluß, ein abschließendes Urteil vermutlich auf längere Zeit hinaus nicht zu erwarten“.

Inzwischen hat die Israelitische Gemeinde Bremens an den Präsidenten der Bürgerschaft, Reinhard Metz, geschrieben, sie müsse künftig „die Glaubwürdigkeit öffentlichen Gedenkens sehr in Zweifel ziehen“, wenn er der „ganzen Wahrheit“ der NS-Vergangenheit aus dem Wege gehen wollte.

Heute wird das aktuelle Thema den Landtag beschäftigen. Für den Senat wird es erstmals zwei kontroverse Reden geben: eine für die SPD und eine für die CDU. K.W.

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