: Kein Platz für Jugendliche
■ Sandbek bleibt weiterhin „Problemsiedlung“ / Einer der wenigen Jugendtreffs macht zum Jahresende dicht
Das „Haus für junge Leute“, einer der wenigen nicht-kommerziellen Treffpunkte für Jugendliche in Sandbek und Neuwiedenthal, wird seine Arbeit zum Jahresende aus finanziellen Gründen einstellen. Der Träger, die Neugrabener Michaelisgemeinde, wurde mit 85.000 Mark jährlich vom Jugendamt Harburg unterstützt. Das Geld wird weiter in die Region investiert, beschloß der Jugendhilfeausschuß. Ob davon eine seit langem geforderte dritte Stelle im Sandbeker Freizeitzentrum (FZ) eingerichtet wird, steht noch nicht fest.
„Es brennt an allen Ecken und Enden“, sagt Gudrun Müller, Sozialpädagogin im FZ. Die mangelhafte Versorgung mit Einrichtungen für Jugendliche wird durch den Wegfall des kirchlichen Angebots noch weiter verschärft, zumal der Treff als „neutrale Zone“ zwischen den sonst rivalisierenden Jugendlichen aus Sandbek und Neuwiedenthal fungiert habe, meint Diakonin Heike Rohdenburg.
Als zwei Jugendliche aus Sanbek im Mai diesen Jahres von einem Zug erfaßt und getötet wurden und ihre Freunde mit Aggression und Zerstörung reagierten, geriet der Stadtteil als „Problemsiedlung“ in die öffentliche Diskussion. Zwei Teilnehmern eines Trauermarsches wurde gerade der Prozeß gemacht (taz hamburg berichtete). Doch nicht erst seit dem Tod der beiden Jugendlichen wird die soziale Unterversorgung des Stadtteils kritisiert. Ein von der Stadtentwicklungsbehörde in Auftrag gegebenes Gutachten konstatierte den Mangel bereits Ende 1994 und empfahl dringend, die Ausstattung des seit langem stigmatisierten Stadtteils zu verbessern.
Die Umsetzung eines „Revitalisierungsprogramms“ erfolgt jedoch in kleinen Schritten und wird, wie auch anderswo, von „allgemeinen Sparzwängen“ beschränkt. Die im Gutachten empfohlene zeitliche Ausweitung des bereits bestehenden Angebots für Jugendliche – auf den Abend oder die Wochenenden – findet nicht statt. Wenn ein Mitarbeiter des FZ erkrankt, so Müller, kann das bestehende Angebot nicht aufrecht erhalten werden.
Das Gutachten hatte eine wesentlich stärkere Beteiligung der Bewohnerinnen und Bewohner bei der „Revitalisierung“ des Stadtteils gefordert. In Sandbek wurde ein Beirat eingerichtet, der auch Ideen für Projekte einbringt. Und im Mietercafé gibt es unter dem Namen „Stadtteilbüro“ eine Sprechstunde für Kritik und Anregungen aller Art – jeden ersten und dritten Donnerstag im Monat von 17 bis 19 Uhr. Selbstverwaltete Jugendtreffs fehlen weiterhin. Stefanie Winter
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