: „Waterloo der Ökologie“ droht auf WTO-Tagung
■ Umwelt und Soziales sind als Themen vom Tisch, Ökozölle bleiben ein Traum
Straßburg (taz) – Die erste Ministertagung der Welthandelsorganisation (WTO) werde ein „Waterloo für die Ökologie“, befürchtet der grüne Europaparlamentarier Wolfgang Kreissl-Dörfler. Zwar dürfte heute das Parlament in Straßburg den von Kreissl-Dörfler vorgelegten Bericht über eine ökologische Reform der WTO verabschieden. Ebenso sprachen sich während der gestrigen Debatte die Parlamentarier für die Aufnahme von sozialen Schutzklauseln in die Welthandelsregeln aus. Doch zugleich äußerten mehrere Abgeordnete, daß sie keine Hoffnung hätten, davon irgend etwas auf der WTO-Tagung vom 9. bis 13. Dezember in Singapur verwirklicht zu sehen.
Zuvor schon hatte der EU-Handelskommissar Leon Brittan in einer Anhörung in Straßburg die bisherige Arbeit des WTO-Ausschusses für Handel und Umwelt als enttäuschend bezeichnet. Nicht einmal die – recht moderaten – Vorstellungen der EU-Kommission seien aufgenommen worden. Die Kommission, die in der gemeinschaftlichen Handelspolitik federführend ist, hatte sich immerhin dafür eingesetzt, daß zur Einhaltung multilateraler Umweltabkommen unter Umständen Handelsbeschränkungen verhängt werden dürfen – dies betrifft etwa den Handel mit gefährdeten Tierarten oder das Verbot von Sondermüllexporten. Ansonsten hofft die Kommission, den Welthandel durch Ökosiegel für umweltfreundlich erzeugte Produkte zu begrünen. Doch gestern blieb Brittan nur, die Parlamentarier hilflos auf die Zeit nach Singapur zu vertrösten, um möglicherweise noch Umweltaspekte in den WTO- Vertrag einzuarbeiten.
Die Forderungen der europäischen Grünen gehen erheblich über die der Kommission hinaus. „Mit der WTO-Gründung wurde eine entscheidende Chance verspielt, dem Welthandel sozial-ökologische Regeln zu geben“, kritisierte Kreissl-Dörfler. Der Spielraum nationaler Gesetzgebung werde durch die WTO erheblich eingeschränkt. So hat die WTO erst vor einem halben Jahr den USA ein Gesetz für strengere Abgasnormen beim Autobenzin verboten, weil sich dadurch ausländische Benzinhersteller diskriminiert sahen.
Wie können die auf der Umwelt- und Entwicklungskonferenz von Rio eingegangenen Verpflichtungen eingehalten werden, die Wirtschaft an den Erfordernissen der Nachhaltigkeit zu orientieren? Dazu, so beschloß das Parlament, müßte zum Beispiel für Kostenehrlichkeit beim Transport von Waren gesorgt werden. Im Inland verbotene Waren, so etwa das Pestizid DDT, sollen nicht mehr zum Export freigegeben werden dürfen.
Insbesondere müßten Ausnahmen vom Freihandel erlaubt sein. Wenn in einem Land die Herstellungsverfahren allgemein anerkannten Umweltstandards nicht genügen – wie solche Standards aussehen, müßte noch durch internationale Übereinkunft festgelegt werden – sollen Grenzausgleichsabgaben, also eine Art Ökozölle, erhoben werden dürfen. Damit die Entwicklungsländer dadurch nicht über Gebühr benachteiligt werden, sollen ihnen die so eingenommenen Gelder für eine Umrüstung ihrer Industrien zur Verfügung gestellt werden.
Eine Delegation des Europa- Parlaments wird zwar im Dezember mit nach Singapur fahren, hat aber auf der WTO-Tagung keine Stimme. Und was die in der gestrigen Parlamentsdebatte mehrfach geforderte Einbeziehung sozialer und arbeitsrechtlicher Mindeststandards in das WTO-Regelwerk anbelangt, so hat die Bundesregierung zusammen mit Großbritannien im EU-Ministerrat dafür gesorgt, daß dies kein Thema wird: Die Einrichtung eines Ausschusses für Sozialfragen soll auf der WTO- Tagung nicht einmal beantragt werden. Damit sind die weichen Themen Umwelt und Soziales vom Tisch. In Singapur werden sich die WTO-Mitgliedsregierungen wahrscheinlich nur noch für eine weitere Entfesselung des Handels interessieren, nun vor allem auch im Dienstleistungssektor. Nicola Liebert
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen