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Abschied am frühen Morgen

■ Als wär's der Marktplatz: Die Hongkong-Filmreihe mit Frühwerken im Tacheles

In bewußter Künstlichkeit und voller tragischer Motive kommt „Ashes of passion“ (1987), eine knapp halbstündige Studie von Clara Law, daher. Law, für „Herbstmond“ (1992) beim Filmfestival von Locarno mit dem Goldenen Leoparden ausgezeichnet, erzählt hier eine Liebesgeschichte als Totenklage mit Rückblenden auf glücklichere Tage. Ein Zweipersonenstück, das fast ausschließlich im Boudoir von „Lady Rouge“, einer Prostituierten, spielt, oder in dem Theater, wo ihr Geliebter „Master Wa“, ein gefeierter Star der Pekingoper, seine Gewänder und bunten Bemalungen anlegt. Rauch- und Feueropfer, die „Rouge“ den „Nymphs of Love“ bringt, gleichen zum Ende des Films dem verzweifelnden Bemühen, mit dem Wa versucht, seine tote Freundin zu erreichen. Rotgeschminkte Gesichter in Großaufnahmen, deren Regungen sich nur durch die Augen verraten, üppig geschichtete Vorhänge und ein eher bühnen- als filmtypischer Handlungsaufbau machen den Film zu einer Ausnahme im Hongkongfilm-Programm des Tacheles.

Den Großteil machen Filme aus, die sich, wie „Sunless Days“ (1990) des Filmpublizisten, Drehbuchautors und Regisseurs Shu Kei – eine filmische Stellungnahme zu den Vorgängen um das Massaker am „Platz des Himmlischen Friedens“ – zum Verhältnis der Noch-Kronkolonie zu China äußern. Insgesamt soll die dreizehnteilige Filmstaffel, in Kooperation mit „Radio Television Hongkong“ realisiert, Filme repräsentieren, die „erstaunlich abweichen vom hier bekannten Hongkong-Mainstream“, so die Veranstalter.

Wenn damit die Vertreter des Martial-art-Genres und die an Spezialeffekten reichen Gangster- und Killerfilme gemeint sind, ist „Tete-Beche“ (1987) von Sheila Cheung sicher ein Gegenbeispiel. Über die Dauer eines Tages begleitet der zwanzigminütige Kurzfilm ein Mädchen, daß eines Morgens dem mit Starschnitten und Teenager-Devotionalien dekorierten Zimmer ade sagt. Heraus kommt ein moderner Stadtfilm. Eine sich nach dem Zufallsprinzip zusammensetzende Geschichte, bei der ein geläuterter Exgangster, dem das Mädchen immer wieder aufs unwahrscheinlichste begegnet, genau wie sie selbst eigentlich als Statist fungiert. Mit dem Spruchband-Slogan „Where are we going to?“ deutet sich die Intention von „Tete-Beche“ an: krasse urbane Gegensätze als drohendes soziales Katastrophen-Szenario in Szene zu setzen.

Bekanntere Gesichter dagegen in „The Young Concubine“ (1980) von Calvin Wong, mit dem mittlerweile vielbeschäftigten Leslie Cheung, eine sentimentale Geschichte um eine „Concubine“ wider Willen als ländliche Tragödie anno 1920. Mit viel Lokalkolorit, Einblick in soziales Gefüge und traditionelle Gebräuche wird die Geschichte einer illegitimen Liaison geschildert.

„The Wild Children“, von Allen Fong, der als einer der kompromißlosesten Regisseure Hongkongs gilt, ist Teil der fürs Fernsehen produzierten Reihe „Below The Lion Rock“, die Mitte der siebziger Jahre sozialkritische Themen in realistischer Machart aufgriff. Mit dem Entstehungsjahr 1977 ist „The Wild Children“ der älteste Film des Programms. Er widmet sich, teils mit Laiendarstellern gedreht, den Themen Kriminalität und vernachlässigte Jugend auf der Ebene alltäglicher Ereignisse in einem Elendsviertel. Neben einem Friedhof gelegen, ist dieser hier der zentrale Schauplatz des Films, als wär's der Marktplatz. Gudrun Holz

Noch bis zum 27. November, Camera im Tacheles, Oranienburger Str. 53–56, Kartenvorbestellung: 2826185

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