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Weggeschlossen in Containern

Demonstration gegen Abschiebung und Gefängnisse wie Glasmoor  ■ Von Stefanie Winter

Glasmoor ist Hamburg zum Abgewöhnen. Hier wird bis zur Abschiebung weggeschlossen, wer nicht mehr geduldet ist in der Hansestadt. Bis zu 84 Männer warten in dem Gefängnis zum Teil monatelang auf ihre zwangsweise Ausreise. Eine Gruppe im Hamburger Flüchtlingsrat, die die Isolation der Häftlinge durch regelmäßige Sonntagsspaziergänge zu durchbrechen versucht, ruft mit anderen politischen und kirchlichen Initiativen für den kommenden Samstag zu einer Demonstration gegen die Abschiebepolitik und ihre Knäste auf.

Im März 1994 war das Containerlager bei Norderstedt in Betrieb genommen worden; im darauffolgenden November wurden erstmals Proteste der Gefangenen öffentlich. Nach einem Hofgang weigerten sich 40 Häftlinge, in ihre Zellen zurückzukehren. Erst ein Polizeiaufgebot, Vertreter der Ausländebehörde und deren Zusage, daß ihre Fälle nochmals überprüft werden, veranlaßten sie zur Rücckehr. Wenig später, sagt Andrea Winkler von der Glasmoorgruppe, seien alle beteiligten Gefangenen verlegt oder abgeschoben worden.

Auch wer vom Zellenfenster aus Kontakt mit den Sonntagsspaziergängern aufnimmt, werde bis zu deren persönlichen Besuchsversuchen nicht selten verlegt oder aber verleugnet. Mehrfach waren Gefangene in Hungerstreik getreten, einige haben wegen Mißhandlungen Strafanzeige gegen Bedienstete erstattet. Auch diese potentiellen Zeugen in einer eventuellen Gerichtsverhandlung sind gegen eine vorherige Abschiebung nicht gefeit. Und sieben Mitglieder der Besuchergruppe haben in dem Abschiebegefängnis Besuchsverbot.

Für viele der Insassen sind diese Besuche – gestattet wird zweimal im Monat eine Stunde – während der Haftzeit die einzigen annähernd privaten Kontakte nach draußen. Die Häftlinge sind in Sechs-Bett-Zellen untergebracht; Hofgang und Umschluß gibt es einige Stunden täglich. Das Gelände ist mit mehr als mannshohen Doppelzäunen und Natodraht gesichert. Ihre Freiheit wurde den Gefangenen ganz überwiegend nicht entzogen, weil sie gegen Strafgesetze verstoßen hätten und daraufhin ausgewiesen werden sollen. Das Ausländergesetz erlaubt der Innenbehörde, „vollziehbar“ Ausreisepflichtige zur Vorbereitung und zur gesicherten Durchführung einer Abschiebung in Haft zu nehmen – bis zu sechs Monate lang, eine Verlängerung um bis zu zwölf Monate ist möglich.

Die Demonstration am Samstag, 23. November, wird von mehr als 20 politischen und kirchlichen Gruppen in Hamburg und Schleswig-Holstein unterstützt. Sie beginnt um 10.30 Uhr mit einer Kundgebung am Hamburger Hauptbahnhof und wird in Norderstedt-Mitte um 13 Uhr fortgesetzt. Anschließend zieht die Demo zum Abschiebegefängnis Glasmoor. Die „Sonntagsspaziergänge“ beginnen an jedem ersten und dritten Sonntag eines Monats um 15 Uhr an der Kreuzung Am Glasmoor/Glasmoorstraße.

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