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SPD: Bremen soll an Achim heranwachsen

■ SPD-Fraktion will konkretes Projekt „gemeinsamer Landesplanung“ mit Niedersachsen: „Euro-Zentrum Hansalinie“ an der A 1 - zwischen Hemelinger Marsch und Bremer Kreuz

Ganz rechts unten, dort wo der Bremer Stadtplan endet, da soll die Stadt in den nächsten 25 Jahren wachsen und sich langfristig gut geplant entwickeln. Über 400 Hektar zwischen Hemelingen und Achim stehen zur Debatte. Dies hat die SPD-Fraktion auf einer Klausur-Tagung am vergangenen Montag beschlossen.

Die Idee ist aus verschiedenen Gründen revolutionär: Überhaupt wäre das zum ersten Mal eine längerfristige Festlegung der Stadtentwicklung. Zum zweiten wäre es, so der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Detmar Leo, erstmalig ein konkretes Angebot einer effektiven gemeinsamen Landesplanung an Niedersachsen. Unter diesem Stichwort, witzelt die frühere Stadtentwicklungs-Senatorin Eva-Maria Lemke-Schulte, gibt es bisher nur eine „schöne Papierlage“.

Nicht nur das: Noch Mitte September hat der Senat im Streit um Industrieansiedlungen am Autobahnkreuz beschlossen, daß „konsequentem Wirtschaftswachstum innerhalb der Landesgrenzen absolute Priorität einzuräumen“ sei. Nicht Bürgermeisterwettbewerb mit Achim, sondern eine gemeinsame Projektgesellschaft für ein Jahrhundertprojekt „Euro-Zentrum Hansalinie“ ist die Antwort der SPD.

Provozierende Konfliktpunkte mit dem Umland wie das Einkaufszentrum an der Ritterhuder Heerstraße sollen gestrichen werden, auch die Ausdehnung des Technologieparks ins Naturschutzgebiet Hollerland oder in Kleingärten soll nicht betrieben werden. Für das gemeinsame Projekt soll zudem ein „Ausschluß von Abwerbungen aus benachbarten Gebietskörperschaften“ vereinbart werden, weil die Region insgesamt gewinnen soll. Durch Wohngebiete soll eine städtebaulich attraktive Mischung entstehen, erschlossen werden soll aber erst „nach Bedarf“.

Darin liegt die dritte untergründig revolutionäre Komponente des Vorschlags: Vor konkreten weiteren Planungsschritten verlangt die SPD-Fraktion eine Bilanz der bisherigen Gewerbeflächen-Politik. Insgesamt über 500 Hektar Flächen stehen innerhalb Bremens derzeit frei zur Verfügung, mehr als 30 Hektar gehen pro Jahr nicht weg. Vor einigen Tagen fuhr Wirtschaftssenator Hartmut Perschau persönlich zum ersten Spatenstich ins Gewerbegebiet Klöckner-West, weil dort ein Unternehmen aus dem Umland mit 25 Arbeitsplätzen hinzieht. „Das sind Bewegungen im eigenen Saft“, kritisiert der SPD-Wirtschaftspolitiker Carsten Sieling solche Erfolgsmeldungen, die Region gewinne dadurch nicht. 90 Prozent aller in Bremen vergebenen neuen Gewerbeflächen werden nur zu Umsiedlungen genutzt.

Für die lange umstrittene Hemelinger Marsch, früher einmal als „Umwelttechnologiepark“ beschlossen, fehlen die Interessenten. Und auch im Technologiepark an der Uni ist wieder Fläche frei, nachdem Siemens seine Pläne auf ein Drittel zusammensacken ließ.

Die Zielzahlen aus dem Finanzressort, daß Bremen nämlich bis zum Jahre 2007 insgesamt 55.000 neue Arbeitsplätze schaffen und damit 40.000 neue Einwohner gewinnen muß, hat die SPD-Fraktion ausdrücklich nicht zur Grundlage ihrer Beratung gemacht. „Illusorisch“, tat Lemke-Schulte diese Zahlen ab. „Die sollen mal die Kirche im Dorf lassen,“ findet Leo. Die Wirtschaftsförder-Gesellschaft hatte für die Jahre 1991-1994 jährlich durchschnittlich 500 neu geschaffene Arbeitsplätze im Jahr errechnet, die Bilanz für 1995 wurde bisher von der WFG nicht vorgestellt. Die Tendenz ist aber aufgrund der schlechten Konjunktur fallend.

Akuter Handlungsdruck in Sachen Gewerbeflächen besteht nicht, signalisiert das Konzept der SPD-Fraktion also auch, für die nächsten Jahre bis 2001 liegt reichlich Fläche brach – Zeit und Muße, sich über die Jahrzehnte danach Gedanken zu machen. K.W.

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