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Wie im Wilden Westen

Weil der „Spiegel“ für die Fotos auf seiner CD-ROM keine Honorare zahlte, haben 79 freie Fotografen das Magazin verklagt  ■ Von Ulla Küspert

Die Berufsvereinigung freier Bildjournalisten „FreeLens“ ist bescheiden: Gerade mal 20 Mark Honorar plus 50 Prozent „Strafzuschlag“ will man vor Gericht erstreiten – doch es geht wohl weniger ums Geld als ums Prinzip. Denn sollten die Bildjournalisten mit ihrer Klage erfolgreich sein, wäre das ein Signal für die gesamte Presselandschaft, in der die Gesetzgebung mit der Entwicklung neuer elektronischer Medien kaum mehr Schritt hält.

Denn nicht nur im Internet herrscht Goldgräberstimmung, auch auf dem Markt der CD- ROMs stecken die Großverlage ihre Claims in Westernmanier ab: So verwertete der Spiegel für seine CD-ROMs der Jahrgänge 1989 bis 1993 erneut die Fotos der Freelancer – ohne vorher zu fragen und ohne zu bezahlen.

Sollte das Gericht die Forderungen der Fotografen bestätigen, kämen auf das Magazin nahezu 1,6 Millionen Mark Nachforderung zu. Allein die „FreeLenser“ schossen insgesamt 7.650 Fotos, wofür 230.000 Mark fällig würden. Geld, das der Spiegel – mit ungefähr 330 Mark Millionen Umsatz im ersten Halbjahr 1996 Umsatzspitzenreiter aller Zeitschriften – bei den Investitionskosten für das neue Produkt eigentlich hätte einkalkulieren müssen. Gut möglich also, daß die CD-ROMs schon bald mehr als die 150 bis 220 Mark kosten, für die sie bislang verkauft werden.

Durch Zufall 4.000 Mark von „Focus“

Im Musterprozeß geht es zunächst aus juristischen Gründen nur um gut 700 Fotos. Genug, um die Mindestklagesumme von 10.000 Mark deutlich zu überschreiten und das Grundsätzliche der Sache zu klären. Alle nachfolgenden Fälle, erklärt FreeLens-Anwalt Dirk Feldmann, würden von Amts wegen automatisch vor derselben Kammer landen und deshalb dann auch genauso entschieden.

„Wo kein Kläger ist, da ist auch kein Richter“ – nach dieser Methode sei lange genug verfahren worden, sagt FreeLens-Sprecher Ralph Nobel. Er selbst stieß eines Abends durch einen puren Zufall auf einen Werbespot für Focus und entdeckte darin eines seiner Fotos. Am nächsten Morgen rief seine Agentur bei Markworts Magazin an und bekam ohne Umschweife 4.000 Mark geboten.

Auch der Spiegel wollte es offenbar erst einmal darauf ankommen lassen. Als man 1992 mit den CD-ROMs der Jahrgänge 89/90 und 91/92 startete, hätte man alle Fotografen anschreiben können, räumt Spiegel-Verlagsleiter Fried von Bismarck ein. Davon habe man aber absehen müssen. Ebenso von der Honorierung eines jeden einzelnen. „So etwas muß man pauschal machen“, sagt von Bismarck, schließlich stehe der Aufwand in keinerlei Verhältnis zur Höhe der einzelnen Honorare: „Jemandem 60 Mark zu überweisen, kostet heutzutage noch einmal 60 Mark.“ Aus diesem Grund habe der Justitiar des Hauses, Dietmar Krause, den FreeLens-Fotografen einen Sammelbetrag angeboten. 10.000 Mark sollten die Journalisten erhalten, „die man vielleicht einer Versorgungs- oder Ausbildungseinrichtung für Fotografen zur Verfügung stellen könnte – wenn Sie erklären, daß die Mitglieder des Vereins dann keine Ansprüche mehr erheben“. Ein Trostpflaster, das die Fotografenvereinigung brüsk ablehnte.

Nun versucht der Spiegel die Wogen zu glätten. Möglicherweise habe der Justitiar zuwenig geboten, räumt Verlagsleiter von Bismarck ein, die Sache sei etwas „unglücklich“ gelaufen: „Daß die Fotografen recht haben“, sei keine Frage, „und ich finde es auch wichtig, daß sich der Spiegel richtig verhält.“ Aus diesem Grund habe man 1994 die Honorare erhöht, und auf jedes Foto im Internet 10 Mark draufgezahlt.

Die Fotografen sehen darin allerdings lediglich einen überfälligen Inflationsausgleich für die vergangenen Jahre. Zudem soll die Vereinbarung nur für die Zukunft gelten und eben nicht für die zuvor schon auf CD-ROM vermarkteten fünf Spiegel-Jahrgänge. Und selbst diese Bezahlung von Internet-Fotos scheint so ganz freiwillig nicht zustande gekommen zu sein. Als „Bettelbrief“ bezeichnet FreeLens-Sprecher Nobel ein Schreiben von Spiegel-Chef Stefan Aust, der alle Fotografen und Agenturen gebeten hatte, ihm ihre Bilder für die Nachrichten im Internet erst mal kostenlos zur Verfügung zu stellen.

Von Aust gab es nur einen Trostpreis

„Erst wenn Herr Aust weiß, ob es sich für ihn rechnet, will er auch bezahlen“, empört man sich bei FreeLens. Aust versuche, das Risiko auf die zu verlagern, die am untersten Ende der sozialen Leiter stehen. Erst nachdem die Fotografen den Spiegel mit Faxen geradezu „bombardiert“ hätten, habe man den Trostpreis schließlich vom Tisch bekommen. Trotz verhärteter Fronten hofft Spiegel-Verlagsleiter von Bismarck, sich im Streit um die Bebilderung der CD-ROM gütlich einigen zu können. „Ich gehe davon aus, daß wir weiter verhandeln werden.“

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