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Spielhalle für Menschen mit Grips

■ Die Produkte der „Arbeitsstelle für Neues Spielen“ sind viel lustiger als ihr Name / Spiele von Hajo Bücken & Co bringen auch nach Heiligabend Spaß / Ausgewogen in Gripsbedarf und Unterhaltungswert

Hajo Bücken hat ein Herz für Zocker. Um solche Menschen kreisen seine Gedanken. Denn von ihnen lebt er.

Seit der Bremer Lehrer vor 15 Jahren durch einen Zufall zum „Spieleerfinder“ wurde – der zerschnittene Wehrpaß und eine damit einhergehende 250 Mark-Buße brachten ihn auf die Idee zum „Entrüstet-Euch“-Spiel–, nutzt er die verspielten Schwächen anderer systematisch. Aber ohne das Interesse großer Spieleverleger wie der „Ravensburger“ beispielsweise, stünde in seiner „Arbeitsstelle für Neues Spielen“ sicher keine blaugelackte Schrankwand. „Die habe ich mit Coco-Crazy verdient“, lacht Bücken. Die Memory-Variante über Affen, die sich in Kokosnüssen verstecken, war sein erster internationaler Hit (40 Mark). Ein paar Kästen davon mit japanischen und arabischen Schriftzeichen hortet er jetzt in seiner Spiele-Niederlassung am Dobben.

Einen sicheren Riecher für die Leidenschaften anderer braucht ein Spiele-Erfinder ebenso wie einen klaren Sinn für Ästhetik. „Die Verlage kaufen von uns nur die Ideen. Bei der Gestaltung haben wir wenig mitzureden“, sagt Bücken zwar, aber ohne Serviervorschlag ist die beste Spiele-Idee nichts. Monate hat er schon vergeblich an Prototypen gebastelt – von denen manche nur daran scheiterten, daß andere ErfinderInnen dieselbe Idee schneller vermarktet hatten. Ob Würfel, Karten oder Spielsteine am Ende in Holz, Plastik oder Papier kommen, das entscheidet nur der Verlag. So auch bei Word-Whiz, dem Bremer Brainstorming-Spiel für SchnelldenkerInnen (40 Mark). Das landete dieses Jahr auf der Vorschlagsliste zum Spiel des Jahres, den Spiele-Top-Ten quasi – obwohl es in buntem Plastikbecher-Look erschien, der die Innenausstattung einer Pralinenschachtel kaum übertrifft. Daß dabei außerdem „nur“ vier SpielerInnen um die Wette knobeln können, treibt selbst Erfinder Bücken bisweilen zu Nothandlungen: „Ich packe die Kisten um, damit sie für sechs Leute reichen“, sagt er. Dabei wären sechs Personen für dieses Spiel noch gar nicht zuviel. Locker könnten mehr SpielerInnen mit ihren Wortideen um die Wette schreien. Denn Word Whiz ist ideal für reaktionschnelle und einfallsreiche RechthaberInnen im Alter von 10 bis hundert Jahren: Wer per Kärtchen vorgegebene Konsonanten am schnellsten zu einem Wort kombiniert, darf mit den dabei beliebig benutzten Vokalen um die Wette voranziehen – vorausgesetzt, er vergißt nicht, zum symbolischen Mikrofon zu greifen. Daß der Spaß sogar im Fremdsprachenunterricht eingesetzt werden kann, freut LehrerInnen. Nur für Rechtschreibschwache gibt es noch keine Lösung.

Eine andere, brandneue Erfindung ist Bückens modernisierte Elfer-Raus-Variante namens XXL (13 Mark). Die hält mit ihren zahlreichen Spielvarianten an Umfang, was der extra-große Titel verspricht. Zwar wird sich die Erstklässlerin an die grafisch gestylten Spielkarten erst gewöhnen müssen. Trotzdem hat Hajo Bücken beim Erfinden auch an sie gedacht – mit seiner simplen Domino-Variante „Rauf & Runter“ beispielsweise. Anders als die Domino-Urform ist die Kartenvariante allerdings reisetauglich – weil notfalls auch auf dem kleinen Klapptisch in Bus oder Flieger zu spielen: Die auf- oder absteigenden Zahlenwerte werden ganz schlicht aufeinander getürmt; mal in die eine, wahlweise in die andere Richtung. Wer seine Karten zuerst los ist, gewinnt. Wer dann noch weiter spielen will, kann mit denselben Karten noch auf fünf andere Arten zocken. Die ausgefeilteste Spielidee dabei ist „Bestechen was das Zeug hält“, wo echte Zocker mit ihren Trümpfen den anderen die Karten aus der Tasche ziehen.

Aber das sind nur die neuesten Renner in Bückens Sortiment – ausgewogen in Gripsbedarf und Unterhaltungswert. Auch das muß ein Spieleerfinder wissen: „Die Leute wollen sich eigentlich nicht ungeheuer anstrengen.“ So kommt es, daß er „klasse Spiele“ wie Diktator, der sich auf grünem Filz alleine gegen vier MitspielerInnen durchsetzen muß, kaum noch verkauft. Das Oldie-Spiel wird höchstens dann noch nachgefragt, wenn Bücken die KundInnen vorher persönlich begeistert hat. Gute Laune und viel Schwung, auch dieses praktische Talent braucht ein Spieleerfinder – und ein bißchen Pokerface, damit auch die tausendste Vorstellung von Word-Whiz noch immer so wirkt, als sei die Freude an diesem Spiel grenzenlos. Das kann Bücken. Dafür lädt er potentielle KäuferInnen, ausgebuffte PädagogInnen oder hilfslose Erzieher auch in seine altmodische Spielhalle ein. „Aber anrufen sollen sie vorher schon.“

ede

Die Arbeitsstelle für Neues Spielen liegt am Dobben 109,

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