Nachgefragt: „Entpönalisierung“
■ Haschischverkauf in Apotheken? Suchtexperte Rüdiger Meyenberg
Verkauf von Cannabisprodukten in Apotheken – Der in Schleswig-Holstein geplante Modellversuch erregt bundesweit die Gemüter. Wir fragten dazu Professor Rüdiger Meyenberg, Suchtexperte in Oldenburg, der auch die Spritzenvergabe-Projekte in den zwei niedersächsischen Gefängnissen wissenschaftlich begleitet.
taz: Sie propagieren den Versuch.
Rüdiger Meyenberg: Ja, und das ist ganz wichtig, daß ich für den Modellversuch bin.
Warum?
Weil wir in der Drogenpolitik mit Experimenten umgehen müssen. Dies ist ja ein Experiment mit ergebnisoffenem Ausgang. Ich bin für einen Modellversuch über fünf Jahre, weil man diese Frage: ,Kann dadurch der Markt für harte und weiche Drogen getrennt werden?' am grünen Tisch nicht beantworten kann.
Was versprechen Sie sich als Drogenforscher davon?
Die Entpönalisierung, also die Entstrafung (lat. poena, die Strafe, d.Red.) von einer Million Haschischrauchern. Haschisch ist, gemessen an anderen, eine gefahrlosere Droge. Wobei ich immer dazu sage, Drogen sind allgemeingefährlich.
Gehören Cannabisprodukte nun gerade in Apotheken?
Ja. Nur so kann man es machen. Früher habe ich mal die Drogenberatungsstellen propagiert. Aber die möchten ja gerne ,clean', also stoff-frei bleiben. Aber die Apotheken haben ja sehr viel Stoff mit sehr viel höherer Suchtgefahr.
Das werden ApothekerInnen jetzt nicht gern hören.
Natürlich, da wird ja auch mit gespaltener Zunge gesprochen. ,Wir sollen Drogendealer werden', ist die Assoziation der konservativen Verbandsspitzen. Es wird aber sicher auch viele Unterstützer geben.
Findet da nun eine politische, eine moralische oder eine gesetzliche Diskussion statt?
Gesetzlich räumt ja das Betäubungsmittelgesetz Modellversuche ein. Es steckt ganz klar die restriktive, harte Drogenpolitik dahinter, die sagt: ,Die Leute gar nicht an das Zeug ranlassen'.
Es gibt auch Leute, die sagen, wer hascht...
Alles Quatsch. Ich sage dazu: Wer Milch kriegt, wird Alkoholiker. Es gibt keinen Beleg dafür, daß Hasch aufgrund seiner Inhaltsstoffe zum Heroin führt.Gerhard Glogowski, der niedersächsische Innenminister, hat behauptet, in den Niederlanden und der Schweiz sei der Versuch, die Drogenmärkte zu trennen, gescheitert.
Quatsch. Dafür hat er gar keinen Beleg. Der kennt die Szene nicht. Die Anzahl der Abhängigen in den Niederlanden ist verschwindend gering. Und in Deutschland ist sie extrem hoch. Ich will gar nicht mit den Drogentoten anfangen. Da sind wir weltweit Spitze.
Interview: sip
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